Kontra K Konzert: Warum die Lichteffekte das Liveerlebnis zerstörten

Das grelle Scheinwerferlicht blendete mich, ich konnte kaum etwas auf der Bühne erkennen. Das Flutlicht der Scheinwerfer flackerte hektisch durch den Raum. 

Geblendet vom Rampenlicht versuchte ich dem Konzert zu folgen. Doch am Ende des Auftritts war ich erschöpft von der permanenten Beleuchtung. Am nächsten Tag fühlte ich mich massiv niedergeschlagen und verbrachte den Tag  mit Kopfschmerzen im Bett.  Meine Seheinschränkung macht mich besonders lichtempfindlich. 

Lichteffekte im Fokus  

Kontra K gab sein Konzert in der Stuttgarter Schleyerhalle am 9. März 24 während seiner „Die Hoffnung klaut mir niemand”-Tour 2024. Der bekannte deutsche Rapper überzeugt das Publikum mit seiner markanten Stimme und seinen tiefgründigen und emotionalen Texten.

Doch bei einem Konzert spielt nicht nur die künstlerische Darstellung eine Rolle, sondern auch die Licht- und Bühneneffekte tragen zur Atmosphäre und Stimmung des Konzerts bei. Vor allem für Seheingeschränkte kann die Beleuchtung aber eine Belastung sein. Lichteffekte, die blenden, rasche oder unvorhergesehene Änderungen können verwirrend sein oder die Orientierung beeinträchtigen. 

Das Kontra K Konzert erschöpfte mich wie kein anderes Konzert zuvor.

In diesem Blogartikel möchte ich detailliert auf die Folgen von Blendeffekten, wechselnde Lichter und die sensorische Überlastung eingehen. Das sind meine Ratschläge zur Verbesserung eines Konzerterlebnisses für Fans mit Seheinschränkung. Kleine Änderungen können Großes bewirken.

Kontra K lässt auf sich warten

Das Publikum erwartete gespannt Kontra K, doch überraschenderweise trat zuerst Anna Gray auf. Als Vorband des Abends war sie  der Überraschungsgast des Konzerts. Anna Grays Name strahlte im Dunkeln, anfangs nur als Schimmern erkennbar, bis Elena mich darauf hinwies.

Während sie für die meisten  eine aufstrebende Popsängerin und Songwriterin ist, war sie für mich in diesem Moment ein farbiger Klang in der Dunkelheit, der mich tief berührte. 30 Minuten nach ihrem Auftritt betrat Kontra K die Bühne und die Show begann.

Kontra K rappt über persönliche Erfahrungen und soziale Themen.  

Hier mein absoluter Lieblingssong von ihm:

Unter den Fans entstand ein Gefühl von Verbundenheit, das ich so noch nie bei einem Konzert erlebt habe. Die energische Live-Performance von Kontra K hat mich beeindruckt. Diese positive Erinnerung ist aber nur ein kleines Trostpflaster, wenn ich an die Bühnenbeleuchtung denke.

Der Bass vibrierte durch den Raum, begleitet von blitzschnellen Lichteffekten, die meine Sinne überfluteten und mein Sehvermögen herausforderten. Diese Art von Beleuchtung wird als Stroboskop-Effekt bezeichnet. Die synchronisierten Lichtblitze passen zwar perfekt zur Musik, doch durch die pulsierende und flackernde Wirkung kann ich meinen Blick nicht auf den Künstler fokussieren, das Licht lenkt mich von der Musik ab.

Während des Konzerts standen die Zuschauer zum Glück oft auf und bildeten eine Schutzmauer um mich herum. Dennoch musste ich immer wieder blinzeln, um kurz eine Pause von den blendenden Lichtern zu haben. 

Dank Elena, einer ehrenamtlichen Helferin, bekam ich glücklicherweise den für mich beeindruckendsten Moment des Konzertes mit, den ich ohne ihren Hinweis wahrscheinlich verpasst hätte: Kontra K schwebte auf einer Plattform in luftiger Höhe von oben herab. 

Effektscheinwerfer tauchten die Plattform je nach Song in grünes oder blaues Licht, was mystisch aussah. Es fühlte sich an, als würden Aliens eintreffen. Obwohl meine Gedanken abschweiften, berührte mich der Track „Nur für Dich“ von Kontra K tief. Dieser Song ist eine Hymne voller Hingabe und Liebe:

Kontra K animierte seine Fans  zum Mitsingen oder forderte sie auf, von ihren Plätzen aufzustehen und mitzufeiern. Die Menge kreischte vor Begeisterung und war im Rausch, doch ich war einfach nur genervt, weil mich die ständigen Lichteffekte so stressten. Trotz der Tiefe seiner Texte würde ich nicht noch einmal zu einem Konzert von Kontra K gehen.

Doch wie ist es möglich, trotz Seheinschränkung die Musik zu genießen?

Um die Auswirkung der richtigen Beleuchtung auf seheingeschränkte Zuschauer zu verstehen, ist es, entscheidend die Bedürfnisse und Sensibilitäten dieser Zielgruppe zu berücksichtigen.

Hier sind einige Punkte, die ich für Euch aufgelistet habe. 

  1. Blendung vermeiden:
    Menschen mit Seheinschränkung reagieren oft empfindlicher auf blendendes Licht. Es ist wichtig, die Beleuchtung so zu platzieren und anzupassen, dass direkte Blendung vermieden wird.
  2. Farbtemperatur:
    Die Farbtemperatur des Lichts kann die Stimmung und Wahrnehmung beeinflussen. Eine Farbtemperatur, die zur jeweiligen Situation der Show passt, kann dazu beitragen, dass sehbehinderte Zuschauer die Bühnenshow besser erfassen und verfolgen können.
  3. Dynamik der Lichteffekte:
    Flackernde Lichter oder rasche Bewegungen können für Menschen mit  Seheinschränkung desorientierend wirken. Eine ruhigere Gestaltung der Lichteffekte kann dazu beitragen, dass alle Zuschauer die Show genießen können.
  4. Klare Kontraste:
    Um seheingeschränkten Personen die visuelle Wahrnehmung auf der Bühne zu erleichtern, sind klare Kontraste zwischen hellen und dunklen Bereichen entscheidend. Diese Kontraste helfen dabei, visuelle Elemente besser zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. 
  5. Austausch mit der Community:
    Durch den Dialog mit sehbehinderten Personen und Organisationen, die sich für Barrierefreiheit einsetzen, können Veranstalter wertvolle Einblicke erhalten, wie die Beleuchtung für alle Besucher verbessert werden kann. Ein offener Dialog fördert inklusive Umgebungen und ermöglicht allen Besuchern unabhängig von ihrer Seheinschränkung ein umfassendes Veranstaltungserlebnis in einer barrierefreien Umgebung. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband beschreibt in dieser Broschüre, wie man durch Beleuchtung Barrierefreiheit verbessern kann.

Katerstimmung nach dem Konzert

Mein Fazit nach diesem Konzert: Zum ersten Mal erlebte ich als seheingeschränkte Person, was für ein Herausforderung die Beleuchtung sein kann. Seien es die unklaren visuellen Effekte oder die fehlende Orientierung, wo auf der Bühne gerade was los ist. Die Belastung durch grelles Licht machte mir beim Konzert wirklich zu schaffen.  

Mein Appell an Veranstalter und Künstler: Zu einer  barrierefreien Umgebung bei einem Konzert gehört auch das entsprechende Licht. Bitte achtet darauf oder lasst Euch von Betroffenen vorab beraten!

Rikas Location-Check für die Schleyerhalle: 3,2 von 5 Sterne

Räumlichkeiten:

⭐️⭐️⭐️⭐️

In Begleitung bieten die Räume eine gute Orientierung, ohne Begleitpersonen könnte die Navigation problematisch werden.

Check-in/Einlass:

⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Beim Konzert haben wir den Hintereingang für Menschen mit Behinderung getestet und waren äußerst zufrieden. Je nach Andrang vor der Halle ist dieser Zugang sehr praktisch.

Service:

⭐️⭐️⭐️⭐️

Insgesamt war der Service zufriedenstellend.

Bestellvorgang der Karten:

⭐️⭐️

Da man die reduzierten Tickets für Menschen mit Behinderung nur telefonisch bestellen kann, musste ich  häufig bei der Servicehotline anrufen.  Ich hoffe, dass Menschen mit Behinderung bald ihre Tickets  wie alle anderen auch online bestellen können, ohne jedes Mal stundenlang in der Warteschleife bei der Servicehotline zu hängen. 

Bremsklotz: 

⭐️

Die Lichtinstallation erschwerte die Sicht auf die Bühne und führte zur anhaltenden Blendung der Augen. 


Hier könnt ihr noch mehr lesen über Barrierefreiheit auf Musikfestivals:

Verena Bentele vor einem blauen HIntergrund, sie trägt eine Lederjacke und lacht in die Kamera.

Verena Bentele im Interview: Ein inspirierender Austausch

Als Bloggerin mit Seheinschränkung bin ich selbst täglich mit Herausforderung konfrontiert, die das Leben bereithält. Daher war mein Interview mit der wohl bekanntesten blinden Frau Deutschlands, Verena Bentele, für mich besonders interessant.

Wir haben uns über unsere Erfahrungen mit Barrierefreiheit in großen Veranstaltungslocations ausgetauscht. Und ich habe sie zum Thema persönliche Assistenz befragt. Sie hat mich auf meinem Weg zum selbstbestimmten Leben weiter bestärkt und ermutigt.

Ein persönliches Treffen war nicht möglich, deshalb antwortete Verena Bentele schriftlich auf meine Fragen.

Doch wer ist Verena Bentele?

Verena Bentele ist 42 Jahre alt. Sie ist von Geburt an blind. Weltweit bekannt wurde sie durch den Sport. Sie hat eine Karriere als Biathletin und Skilangläuferin hinter sich, gewann zwölf paralympische Goldmedaillen und vier Mal WM-Gold.
Derzeit ist sie die Präsidentin des VDK, dem größten deutschen Sozialverband, der die Interessen von über 2 Millionen Mitgliedern vertritt.

Hier also nun exklusiv für euch, Verene Bentele im Interview.

Rika: Sie sind die vielleicht bekannteste blinde Frau Deutschlands. Wo spüren Sie in Ihrem Alltag, dass Sie mit Ihrer Einschränkung an Grenzen stoßen und Barrierefreiheit längst nicht überall Realität ist? Vielleicht können Sie mir eine Situation schildern.

Verena Bentele: Gerade diese Woche wollte ich mit der Kreditkarte bezahlen, jedoch hatte das Kartenlesegerät keine Tasten mehr um den PIN einzutippen. Dann muss ich also an der Kasse meine Geheimzahl verraten, kein angenehmes Gefühl. Ein Riesenärgernis sind für mich auch die E-Scooter, die achtlos auf dem Bürgersteig abgestellt werden. Allerdings habe ich eine Kindheit gehabt, in der mich meine Eltern, meine Familie früh ermutigt hat, alles auszuprobieren – nur als sie mich einmal auf dem Dach erwischt haben, war die Freiheit doch zu grenzenlos. Dennoch hat mich ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten bestärkt.

Rika: Ich besuche gerne Konzerte und checke für meinen Blog Veranstaltungs-Locations auf ihre Barrierefreiheit. Auch Sie sind viel bei Veranstaltungen unterwegs. Was ist für Sie das größte Ärgernis an Veranstaltungs-Häusern?

Verena Bentele: Natürlich ärgert es mich, wenn es nicht überall Möglichkeiten zur Teilhabe gibt. Für mich als blinde Nutzerin braucht es Blindenleitsysteme auf dem Boden, für Gehörlose sind Gebärdensprachdolmetscher nötig und Menschen im Rollstuhl benötigen eine Rampe, um Stufen zu überwinden oder einen Aufzug. Das zeigt, dass Barrierefreiheit ein sehr umfassendes Thema ist.

Rika: Für mich wäre Sport ein Schlüssel zur Integration – allerdings gibt es auf dem Land kaum inklusive Sportangebote. Was müsste sich gesellschaftlich verändern, damit Menschen mit und ohne Einschränkung öfter gemeinsam Sport treiben?

Verena Bentele: Vereine und andere Sportangebote müssen erstmal erreichbar und für alle Menschen nutzbar sein, außerdem müssen sich die Menschen mit und ohne Behinderung dort willkommen fühlen. Dann kann das gemeinsame Sporttreiben funktionieren. Zu viele Schwimmbäder oder Sporthallen sind nicht für alle zugänglich, das verhindert gemeinsame Erlebnisse. Ich selber war in meiner Karriere als Sportlerin mit einem Begleitläufer unterwegs, das hat mir gezeigt, was wir alle mit der richtigen Unterstützung erreichen können.

Rika: Damit ich Sportangebote finde, die ich wahrnehmen kann, muss ich viel recherchieren und organisieren. Mit welcher Hilfe haben Sie damals zum Sport gefunden, den Sie jahrelang auf Hochleistungsniveau betrieben haben?

Verena Bentele: Meine Eltern haben mir das Ski- und Radfahren selbst beigebracht. In einer Schule für Blinde, die ich besucht habe, konnte ich dann mit dem Sport im Verein starten. Es gab Judo, Leichtathletik und Langlaufangebote.

Rika: Selbstbestimmt zu leben, ist mein größtes Ziel. Aus der Wohnheimstruktur habe ich mich desillusioniert und frustriert verabschiedet, lebe jetzt mit 33 Jahren wieder bei meinen Eltern und habe gerade den Antrag auf ein persönliches Budget verschickt. Warum ist es so schwierig, selbst über die Unterstützungsgelder zu verfügen, die mir zustehen. Und haben Sie eine Vision, wie selbstbestimmtes und der Herkunftsfamilie unabhängiges Leben für Menschen mit Einschränkung leichter möglich wird?

Verena Bentele: Ich kann Sie nur bestärken, weiterhin Ihren Weg zu gehen. Das persönliche Budget steht Ihnen zu, sollte es nicht bewilligt werden, so wäre eine rechtliche Beratung und Unterstützung sicher sinnvoll.
In einer optimalen Welt sollten Anträge auf Assistenz und Hilfsmittel ohne großen Hürden gestellt und bewilligt werden können. Das wäre mein Wunsch.

Rika: Arbeiten Sie mit einer persönlichen Assistenz?

Verena Bentele: Eine persönliche Assistenz habe ich nicht. Ich habe jedoch Unterstützung in meiner Arbeit, die zum Beispiel viele Reise erfordert. Hier ist eine Begleitung, die mir auf großen Veranstaltungen bei der Orientierung hilft, sehr sinnvoll. Im Alltag bin ich viel allein unterwegs, außerdem nutze ich technische Unterstützung, wie zum Beispiel ein Smartphone für die Navigation, um Wege zu finden.

Ich hoffe, die Antworten waren für Euch so interessant wie für mich.

Ich hoffe, das Interview mit Verena Bentele war für Euch so interessant wie für mich.

Sie spricht über Teilhabe und Inklusion.
Wir sollten uns mehr für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen. Jeder kann dazu beitragen. Lasst uns zusammen für mehr Teilhabe und Inklusion kämpfen.