Der Gang zum Bäcker: Straßen und Wege – oft krumm und schief

Lies hier meinen Gastbeitrag für das Mitteilungsblatt meines Heimatortes Althengstett. Ich beschreibe darin, wie schlecht es auf den Straßen des kleinen Ortes um Barrierefreiheit bestellt ist. Ein Fakt, der mir auch kurze Wege im Alltag schwer macht:

Mein Name ist Rika, bin 33 Jahre alt. Ich habe einen Blog rikas-blog.de und poste auch auf Instagram. Meine Berichte sind aus der Perspektive einer seh- und geheingeschränkten Frau. Ich möchte Menschen mit Einschränkungen dazu motivieren, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Den Menschen ohne Einschränkungen möchte ich vermitteln, wie man kulturelle Angebote inklusiver gestalten kann.

So orientiere ich mich

Früher saß ich im Rollstuhl. Mein Weg zum Bäcker mit Walking Stock in Begleitung meiner Sportassistenz sieht so aus:

Da ich keine Straßenschilder lesen kann, orientiere ich mich an größeren Anhaltspunkten, wie ein farbiges Haus sein, der Kirchturm, ein Friedhof oder ein Zaun und merke mir so den Weg. Auf den Straßen meines Heimatortes ist es eher schlecht um Barrierefreiheit bestellt.

Der Stock ist wie ein guter Freund, Stütze bei Unsicherheit, das Gleichgewicht verliere oder erneuter Orientierung. Wenn alle Stricke reißen, steht mir meine Assistenz mit Tipps und Tricks zur Seite. Mein Umfeld nehme sehr unscharf wahr, meine zitternden Augen (wie Wackelkontakt) müssen sich bei jeder Bewegung neu fokussieren. So stoße ich wie viele andere Menschen mit Einschränkungen, wie z.B Fußgänger mit Rollator / Rollstuhlfahrer auf beschwerliche Hürden.

Holprige Wege bringen mich ins Wanken

Mit dem Stock immer voran, taste ich jegliche Barriere ab. Auf dem Weg zum Bäcker erwarten mich Hindernisse wie nicht abgesenkte Bordsteinkanten, Mülltonnen, enge Bürgersteige oder holprige Wege, die mich ins Wanken bringen. Solche Situationen verunsichern mich massiv.

Früher, noch mit Rollator unterwegs, habe ich die ungeraden Strecken und Bordsteinkanten verflucht. Mit Walkingstock stehe ich heute vor anderen Aufgaben: Treppen / beidseitige Handläufe! Es fehlen die Markierungsstreifen zur Erkennung der einzelnen Stufen. Die Treppe vor dem Seniorenheim ist leider ein perfektes negatives Beispiel. Mir ist klar, dass es an vielen Stellen noch an Aufklärung mangelt und dadurch das Bewusstsein dafür fehlt.

Doch zusammen können wir so viel erreichen, wenn wir nur wollen.


Lest hier weitere Gastbeiträge, die ich für das Mitteilungsblatt in einer kleinen Serie geschrieben habe:

I

V

Zwei Hände, die sich fast berühren.

Hilfsmittel: Ohne technische Unterstützung sind wir am Arsch

Meine 9 Tipps für digitales Arbeiten als mehrfach eingeschränkte Person

Ich will euch Hilfsmittel für Menschen mit Mehrfacheinschränkung vorstellen. Denn in den vergangenen Jahren habe ich viele Erfahrungen mit Apps, Softwareprogrammen und anderen Hilfsmittel für Seheingeschränkte gesammelt – aber die helfen mir oft nicht. Ich will euch meine liebsten Hilfsmittel für Menschen mit Mehrfacheinschränkung vorstellen – in der Hoffnung, dass auch für euch etwas dabei ist, das euch das Leben leichter macht.

Das Problem bei mir ist, dass ich ein paar Hilfsmittel, die für komplett blinde Menschen gemacht sind, nicht benötige oder nicht benutzen kann.

Zum einen sehe ich dafür noch zu gut: Bei mir ist eine Sehkraft von 30 bis 40 Prozent vorhanden. Die Brailleschrift benutze ich deshalb nicht, sondern versuche mit meiner verbliebenen Sehkraft und starkem Zoom auf dem Bildschirm zu lesen.

Zum anderen taugen mir nur Hilfsmittel, die ich mit einer Hand bedienen kann, denn mein linker Arm ist gelähmt. Bei mir kommt auch noch ein verlangsamtes Arbeitsgedächtnis durch meine Gehirnblutung dazu. Weil viele Hilfsmittel NUR für Blinde gemacht sind, nicht aber für Personen mit mehrfacher Behinderung, habe ich mich auf die Suche gemacht: Welche Hilfsmittel sind für mich und andere Menschen mit einem vielfältigen Einschränkungsbild geeignet?

Hier meine 9 Tipps, wie du herausfindest, welche Hilfsmittel für Menschen mit Mehrfacheinschränkung dir WIRKLICH helfen!

1. Recherchiere in Eigeninitiative nach Hilfsmitteln

Was für ein Hilfsmittel suchst du? Es gibt eine breite Palette von Produkten. Das können unter anderem Sehhilfen, Hörhilfen, Prothesen oder orthopädische Hilfsmittel sein. Nach meiner Einhandtastatur habe ich damals selbst im Netz recherchiert und mich dann mit einer Mitarbeiterin einer Beratungsstelle, die selbst von einer Seheinschränkung betroffen ist, ausgetauscht. Schließlich habe ich die Tastatur bei der Firma Tipykeyboard in Österreich bestellt. Was bedeutet das für dich als Betroffene? Werde dir klar darüber, was genau du suchst.

2. Probiere Apps und Programme immer aus

Nur durchs Testen findest du heraus, welche Hilfsmittel wirklich zu dir passen.

Hier ein paar Beispiele für dich:

App „Be My Eyes“:

„Be My Eyes“ verbindet blinde/seheingeschränkte Menschen mit Freiwilligen. Dadurch, dass die Freiwilligen den Betroffenen ihre Augen leihen, helfen sie den Benutzern bei verschiedenen Aufgaben.

Zum Beispiel beim:

  • Lesen von Etiketten
  • Zusammenstellen und Identifizieren von Kleidungsstücken
  • Bedienung des Fernsehers
  • Sortieren von Musik oder Büchern

App „Seeing AI“:

Die App „Seeing AI“ kann mithilfe von künstlicher Intelligenz Menschen, Gegenstände und Texte in der näheren Umgebung beschreiben. Sie liefert auch:

Beschreibungen von Fotos auf dem Handy:

  • Gesichtserkennung
  • Einschätzung des Alters und Geschlechts, sowie der gezeigten Emotionen einer Person
  • grobe Beschreibung der unmittelbaren Umgebung
  • Erkennung von Geldscheinen, Farben und handgeschriebenem Text
  • Es besteht eine Audio-Output Funktion.

3. Nimm die Bedienungshilfe von deinem Smartphone in Anspruch

Die Bediengungshilfen erleichtern dir den Umgang mit deinem iPhone.

Zuallererst gehst du auf Einstellungen und dann auf die Option Bedienungshilfe. Dort besteht die Möglichkeit, die Schrift zu vergrößern oder die Sprachausgabe zu verwenden.

Wusstet ihr schon, dass die meisten Smartphones eine Audio-Output-Funktion haben?

Diese Funktion ermöglicht es dir, dich auf dem Smartphonebildschirm zurechtzufinden, ohne ihn sehen zu müssen. Das Gerät sagt dir, über welcher Schaltfläche sich dein Finger befindet.

Auf Android-Geräten heißt diese Funktion TalkBack und auf iOS-Geräten VoiceOver.

Smartphones oder Tablets bieten zahlreiche weitere Bedienhilfen. Dazu verlinke ich Dir hier 2 Videos.

Talk Back als Hilfsmittel für Menschen mit Mehrfacheinschränkung

VoiceOver als Hilfsmittel für Menschen mit Mehrfacheinschränkung

4. Verwende Siri als Sprachassistenz

Bei Siri handelt es sich um einen Sprachassistenten von Apple. Siri wird ausschließlich auf den mobilen Geräten von Apple genutzt, wie z.B. iPhone und iPad. Mir selbst hilft Siri sehr beim Eintragen von Terminen, beim SMS schreiben oder bei Recherchen im Internet.

5. Nutze als Hilfsmittel eine Bildschirmlupe am PC

Das Softwareprogramm Zoom-Text ist mir eine große Hilfe beim Arbeiten am PC. Ich kann den Bildschirminhalt stark vergrößern und mir die Textinhalte vorlesen lassen.

6. Versuche es mit der Einhandtastatur

Durch meine Halbseitenlähmung kann ich nur mit der rechten Hand schreiben. Der linke Arm kommt bestenfalls bei grobmotorischen Aufgaben zum Einsatz. Aber das ist gar kein Thema für mich denn mit der Einhandtastatur “Tipykeyboard” hast du mit einer Hand alles im Griff, egal ob du Rechts- oder Linkshänder bist. (https://tipykeyboard.com)

7. Das eyesmart-Tablet

Dieses Android-Tablet oder Smartphone (https://www.reineckervision.de/produkte/elektronische-brillen-und-mobile-assistenzsysteme/eyesmart/) ist mit einer Software für Menschen mit einer Sehbehinderung ausgestattet. Gut verständliches Menü, große kontrastreiche Texte und klare Sprachrückmeldungen machen die Kommunikation mit eyesmart intuitiv, heißt es von der Firma. Ich will es bald testen.

Das Arbeiten am Laptop mit dem Programm Zoom-Text hat den Nachteil, dass mir durch die starke Vergrößerung die Übersicht fehlt.

Beim eyesmart hingegen ist der Bildschirm kleiner, aber ich habe trotz eingeschränktem Gesichtsfeld alles im Blick. Aus diesem Grund denke ich darüber nach, mir ein eyesmart-Gerät zu kaufen

8. KI (künstliche Intelligenz)

Um mir das Schreiben zu erleichtern, bin ich auf der Suche nach KI-Helfern, die mich bei der Grammatik, bei der Zusammenfassung von Texten unterstützen. Darüber lese ich viel (https://www.computerweekly.com/de/tipp/29-KI-Tools-die-bei-der-Content-Erstellung-unterstuetzen). Allerdings bin ich noch dabei herauszufinden, welche KI wirklich zu mir passt und mir bei meinen Schwierigkeiten am besten hilft. Habt ihr Tipps? Schreibt mir gerne!

9. Nimm wegen Hilfsmitteln Kontakt zu Beratungsstellen auf

Wenn Du Glück hast, können Dir Beratungsstellen auf dem Weg zu den richtigen Hilfsmitteln helfen. Sie haben Erfahrung mit einigen Programmen und Geräten.

Diese Beratungsstellen haben mir persönlich am meisten geholfen:

Am Ende bleibt mir nur eins zu sagen:

Unabhängig davon, welches Hilfsmittel du dir anschaffen willst, informiere dich zuerst, lass dich beraten und teste es, wenn möglich, bevor du das Produkt kaufst oder es dir über deine Krankenkasse bestellst.