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Wie Bildung Einfluss auf die Psyche hat

ACHTUNG: IN DIESEM TEXT GEHT ES UM SELBSTSCHÄDIGENDES VERHALTEN. Wenn Du von diesem Verhalten betroffen bist, hole Dir Hilfe. Zu jeder Zeit kannst Du bei der Telefonseelsorge unter diesem Link Gesprächspartner in Krisensituationen erreichen.

Am Anfang hoch motiviert und am Ende des Weges wird einem der Boden unter den Füßen weggerissen. Ein freier Fall ins Nichts, verschlungen von der Dunkelheit, wo niemand meine Tränen sieht.

In der Zeit meiner Ausbildung im Jahr 2015 zur Bürokraft in einem Berufsbildungswerk , die ich nach einem halben Jahr bereits abgebrochen habe, ist vieles zu Bruch gegangen. Da waren die endlosen Gespräche mit den Lehrern, die mich einiges an Nerven gekostet haben, nur um festzustellen, dass ich bei ihnen gegen eine Mauer laufe.

Ich saß damals im Unterricht mit zwei fetten Bildschirmen, einer zum Arbeiten und links von mir noch so ein fettes Teil wo die Bücher als PDF-Dateien vorhanden waren. Da es für mich schier unmöglich war, gleichzeitig am PC zu arbeiten, mir den Inhalt der Bücher zu merken, mir einen Überblick zu verschaffen bei einem Zoomfaktor von 70% bis 100% (damals noch über die Bildschirmlupe) und im selben Moment im Unterricht zuzuhören sowie Fragen zu beantworten, hat mich an meine Grenzen gebracht.

Immer seltener trat ich den Gang zur Cafeteria an, statt 70 kg wog ich nur noch 60 kg bei einer Größe von 1,83 m. Nach einigen Monaten schrie ich völlig gereizt meinen Lehrer an, der mich, nachdem alle Gespräche nichts gebracht hatten, fragte, ob er denn nicht helfen könne.

Ich konnte es nicht fassen: Seit Monaten schilderte ich den Lehrern, wo die Problematik bei mir liegt, und jetzt auf einmal fiel ihm ein, mich danach zu fragen. Eines Abends war es dann so weit. Ich nahm ein kleines Objekt von meinem Schreibtisch im Zimmer in den Mund, in der Hoffnung daran zu ersticken, was bedauerlicherweise schief lief, mir ein Gespräch bei der Psychologin einbrockte und letztlich zum Abbruch der Ausbildung führte.

Da meine Eltern zu diesem Zeitpunkt im Urlaub waren, holte mich meine Tante mit so viel Verständnis und Empathie zu sich nach Stuttgart. Als meine Eltern aus dem Urlaub zurück waren, hagelte es nur so von Vorwürfen. Wie ich nur so dünn werden konnte, dass es doch so ungesund sei, so wenig zu essen.

Mein Vater tobte vor Wut, weil ich  vom Thema Ausbildung nichts mehr wissen wollte. Ich jedoch wünschte ich mich weit weg und wollte von daheim ausziehen.

Mein Umzug – der Eingang zur Hölle

Ohne es zu wissen, betrat ich Ende 2016 den Eingang zur Hölle: Ich zog von zuhause in ein neues Wohnheim eines Sozialen Trägers im südlichen Baden-Württemberg. Nicht nur das Gebäude war neu, sondern auch die zuständigen Betreuer. Ein Riesen-Durcheinander also und ich mittendrin.

Das Innere des Gebäudes konnte ich gut wahrnehmen, die Menschen um mich herum eher weniger gut. Ich fühlte mich, als ob ich besoffen durch die Gegend torkeln würde, wie in einem Karussell  drehte sich alles. Meinen Augen fällt es unheimlich schwer, sich zu fokussieren, als hätte meine Sehkraft  einen Wackelkontakt wie eine nicht richtig eingedrehte Glühbirne.

Doch wenn alles stillsteht und die Leute  näher an mich herantreten, sehe ich recht gut. Das Umfeld um mich herum kann ich in Einzelheiten in Augenschein nehmen, wenn ich für einen Augenblick innehalte und stehen bleibe. Ich betrachte Farben, Kleidung, Geschlecht, Körperhaltung usw.  Also ist es sehr vom Standpunkt abhängig. Wenn es so chaotisch ist, wie bei einem Umzug, dann gelingt mir das nicht.

Zu Beginn hieß es, dass hauptsächlich Personen mit leichtem Handicap miteinziehen und man in seiner Selbstständigkeit unterstützt wird. Pustekuchen!

Rollstuhlfahrer und geistig Eingeschränkte waren mit von der Partie.

Eine Seheinschräkung zählt wohl nicht als Handicap, dachte ich mir, als ich merkte, wie die Betreuer mit mir umgingen.

Menschen, deren Einschränkung von außen nicht sichtbar ist, werden wohl in ihrem Hilfebedarf nicht ganz für voll genommen.

Frustration und Verzweiflung machten sich bei mir breit, als die Betreuer von mir erwarteten, dass ich allein mit dem Taxi fahren kann. Parallel bekamen es die Aufseher nicht auf die Reihe sich an Terminvereinbarungen zu halten. Keiner von denen wusste, wer mit mir zu welchem Termin geht. Ich weiß nicht, was da bei den Übergaben besprochen wird, aber auf dem Laufenden sind die Mitarbeiter sehr selten. Selbst nach den 6 Jahren,  die ich schon in diesem Wohnheim bin. Mich beschlich das dumpfe Gefühl,  nur eine Schachfigur zu sein, die sie herumschupsen können, wie es ihnen gerade passt. Und keiner weiß, was Sache ist.

Zu dieser Zeit fuhr ich täglich mit den anderen in die Behindertenwerkstatt. Auf der Fahrt dorthin wurden noch Leute von anderen Häusern abgeholt. Im Bus müffelte es so extrem, dass ich kurz die Luft anhalten musste. Ich  fühlte mich sehr unbehaglich zwischen den Leuten mit geistiger Einschränkung, ein schrumpeliger, gebückter Mann, der neben mir saß, streckte immer wieder seine Hand nach mir aus, um mir einen Luftkuss zu geben. Widerlich! Mit den Mitarbeitern in der Werkstatt konnte man sich zum Glück richtig unterhalten, und auch wenn doch einige fitte Leute mit dabei waren, schienen sie glücklich und zufrieden zu sein mit der Arbeit in der Werkstatt. Ich war hier aber so was von fehl am Platz. Auf Dauer Schrauben zählen, Kartons falten und überwiegend nur Individuen (Menschen) mit geistiger Einschränkung um mich herum?

Nein Danke!

Bin ich denn die Einzige, die den Drang nach Freiheit verspürt, mehr will als ein ganzes Leben lang immer wieder stumpfen und monotonen Aufgaben nachzugehen? Und das ganze noch unter schlechter Bezahlung. Das würde meiner Meinung nach unter Ausbeutung fallen, davon kann wirklich kein Mensch leben.

Ich und meine Wenigkeit, aufgenommen in München im April 2022.

Ich und meine Wenigkeit

Mein Name ist Franziska Spitz. Ich bin 32 Jahre alt und lebe seit 2012 mit einer Seh- und Geheinschränkung infolge einer Hirnblutung im Stammhirn.

Auf meinem  Weg in Richtung Freiheit möchte ich euch mitnehmen, raus aus dem Wohnheim und rein ins selbstbestimmte Leben.

Um diesen Weg zu beschreiten, musste ich auch den Blick zurück richten auf eine schwierige Zeit, die mir aber die Augen geöffnet hat, wie ich nicht leben möchte. Die mir gezeigt hat, wie wichtig es mir ist, selbst über die Richtung bestimmen zu können, in die sich mein Leben entwickelt.

Wo soll ich anfangen? Ich kenne das Gefühl der Einsamkeit, verletzt am Boden zu liegen und von seinen Mitmenschen enttäuscht zu werden.

Von den Betreuern im Wohnheim nicht ernst genommen, suchte ich mir Ehrenamtliche zur Unterstützung für meinen Alltag. Deren Dienstleistung wird seit 5 Jahren von meinen Eltern finanziert.

Selbstverletzendes Verhalten (SVV) aufgrund von Unterforderung in der Behindertenwerkstatt.

Ein paar Wochen in der Psychiatrie brachten Klarheit.

Abbruch der Behindertenwerkstatt war der erste Schritt. Statt Frust und Schokolade bestimmt seither Aktivität meinen Alltag: 2 x die Woche gehe ich Schwimmen sowie 1x die Woche Laufen. Zum Sport kam die vegane Ernährung.

Städtetouren, Festivals und Kneipentouren gehören zur Freizeitgestaltung dazu.

Ich genieße nach dem Sport die körperliche Auslastung, die ich davor lange nicht erleben durfte, weil solche Aktivitäten wie Wandern oder Schwimmen im Wohnheim nicht vorgesehen sind. Immer wieder konnte jetzt auch wieder mein Humor aufblitzen.

Doch all das brachte mir keine Erfüllung. So suchte ich mir eine Sozialarbeiterin und beantragte ein persönliches Budget, um langfristig aus dem Wohnheim rauszukommen. Ich möchte in einer eigenen Wohnung oder einem WG-Zimmer in einer Wohngemeinschaft leben.

Das wird also Schritt 2 in die Freiheit.

Ich habe es satt, dass Lehrer und Betreuer mir nichts zutrauen, sondern erwarten, dass ich Herausforderungen NICHT meistern kann und gewisse Ziele NIE erreiche.

Um finanzielle Freiheit zu erlangen, beginne ich 2022 eine Schulung bei Quikstepp, die speziell  für Blinde und Seheingeschränkte angeboten wird.