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Das Messer ist mein Freund!

ACHTUNG: IN DIESEM TEXT GEHT ES UM SELBSTSCHÄDIGENDES VERHALTEN. Wenn Du von diesem Verhalten betroffen bist, hole Dir Hilfe. Zu jeder Zeit kannst Du bei der Telefonseelsorge unter diesem Link Gesprächspartner in Krisensituationen erreichen.

Von der Außenwelt isoliert und gefangen wie ein Vogel im Käfig. Heul-Attacken 24 Stunden und ein ewiger Kampf, um auf hoher See nicht unterzugehen.

Ein Küchenmesser in der Hand, es folgt ein tiefer Schnitt, Blut fliest, kein Schmerz, nur pure Erleichterung und für einen Moment sind alle Sorgen wie weggespült.

So muss sich Freiheit anfühlen.

Monotone Aufgaben in der Behindertenwerkstatt ließ ich über mich ergehen. Das Herumschubsen der Betreuer, das Gefühl von Unverständnis war kaum zu ertragen.

Die Papierschere war nur der Anfang. Dieser ständige Teufelskreis aus kräftezehrenden Arbeitsaufträgen in der Werkstatt, die jedoch kaum eine zweckhafte Rolle für mich spielten. Nach außen strahlte ich Zufriedenheit aus, innerlich war ich leer und suchte verzweifelt den Sinn hinter dem Ganzen. Missmutig ging es mit dem Bus wieder zurück ins Wohnheim. Gefrustet und ohne Perspektive wartete ich auf den nächsten Tag.

Das Gefühl, nicht gehört zu werden, ließen mich zur Schere greifen. Oberflächliches Aufritzen der Haut lösten in mir das Gefühl von Unbeschwertheit aus, als ob mir eine große Last von den Schultern genommen worden sei. Ich dachte mir nicht viel dabei, wenn ich mich im Wohnheim oder in der Behindertenwerkstatt ins Badezimmer oder die Toilette schlich und mich mit der Schere ritzte. Eines war klar, es führte dazu, dass ich mich besser fühlte.

Es lief eine gewisse Zeit immer gleich ab, bis mir die Papierschere nicht mehr ausreichte. Still und heimlich holte ich mir ein kleines Küchenmesser und übte mehr Druck auf das Messer aus. Blutstropfen traten wie kleine Perlen hervor, ganz automatisch machte ich den nächsten Schnitt, diesmal nicht so zaghaft wie davor. Blut lief rechts und links am Unterarm entlang. Ich ritzte mich fast bis zum Ellenbogen hoch und nach einer Weile war es wie Zähneputzen, mich jeden Abend in die Küche zu schleichen und in leisen Schritten ins Badezimmer zu gehen, die Türe hinter mir zu verriegeln. Wenn alle schliefen, ging ich wieder auf mein Zimmer zurück. Die Ärmel vom Pullover wurden lang gezogen, übers Handgelenk bis zu den Fingerspitzen.

Allmählich suchte ich das Gespräch mit einem Azubi im Haus, der mir zuvor angeboten hatte, mit ihm zu reden, wenn mir danach ist. Wir gingen öfters spazieren od trafen uns in meinem Zimmer, um uns zu unterhalten. Oft bat er mich darum, das Ritzen zu unterlassen. Doch das bewirkte viel mehr das Gegenteil davon. Selbst das Schreiben half nur bedingt. Am späten Abend als ich mich wie gewohnt in die Küche schlich, glänzte mir ein größeres Küchenmesser entgegen. Ich dachte mir: „Wieso nicht!“. Ich zog es aus der Schublade, huschte ins Bad und zückte die Klinge.

Viel tiefer als sonst schnitt ich mir ins Fleisch. Blut floss über den Arm ins Waschbecken. Einige Tage darauf kam es zu einem Gespräch zu dritt. Ich, der Azubi und eine Betreuerin im Haus. Aufgewühlt und verwirrt hockte ich auf meinen Bett, während die Stimmen von außen auf mich einredeten. Es fiel das Wort Psychatrie, wo mir geholfen werden könne und ich zum jetzigen Augenblick am besten aufgehoben wäre.

Die Betreuerin begleitete mich zu meinem Termin bei meiner Neurologin, wo dann die Karten auf den Tisch kamen. Die Neurologin quasselte von Depressionen und brachte mich komplett raus. „Was hat Ritzen mit Depressionen zu tun?“, dachte ich mir. Kopflos nickte ich und stimmte zu. Zwei Tage später landete ich in der Psychatrie, und nach 4 Wochen Aufenthalt wurde ich endlich entlassen.

In dem Augenblick, als ich draußen war, Anfang 2017, wusste ich, dass eine Veränderung dringend notwendig war.

Auf die Betreuer im Wohnheim wollte ich nicht mehr angewiesen sein. Ich begab mich mit einer Ehrenamtlichen auf die Suche nach weiteren freiwilligen Helfern, um die Unterstützung im Alltag zu erhalten, die ich benötige. Das erste Mal wurde ich als Person ernst genommen und konnte über meine Bedürfnisse reden.

Wie Bildung Einfluss auf die Psyche hat

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Am Anfang hoch motiviert und am Ende des Weges wird einem der Boden unter den Füßen weggerissen. Ein freier Fall ins Nichts, verschlungen von der Dunkelheit, wo niemand meine Tränen sieht.

In der Zeit meiner Ausbildung im Jahr 2015 zur Bürokraft in einem Berufsbildungswerk , die ich nach einem halben Jahr bereits abgebrochen habe, ist vieles zu Bruch gegangen. Da waren die endlosen Gespräche mit den Lehrern, die mich einiges an Nerven gekostet haben, nur um festzustellen, dass ich bei ihnen gegen eine Mauer laufe.

Ich saß damals im Unterricht mit zwei fetten Bildschirmen, einer zum Arbeiten und links von mir noch so ein fettes Teil wo die Bücher als PDF-Dateien vorhanden waren. Da es für mich schier unmöglich war, gleichzeitig am PC zu arbeiten, mir den Inhalt der Bücher zu merken, mir einen Überblick zu verschaffen bei einem Zoomfaktor von 70% bis 100% (damals noch über die Bildschirmlupe) und im selben Moment im Unterricht zuzuhören sowie Fragen zu beantworten, hat mich an meine Grenzen gebracht.

Immer seltener trat ich den Gang zur Cafeteria an, statt 70 kg wog ich nur noch 60 kg bei einer Größe von 1,83 m. Nach einigen Monaten schrie ich völlig gereizt meinen Lehrer an, der mich, nachdem alle Gespräche nichts gebracht hatten, fragte, ob er denn nicht helfen könne.

Ich konnte es nicht fassen: Seit Monaten schilderte ich den Lehrern, wo die Problematik bei mir liegt, und jetzt auf einmal fiel ihm ein, mich danach zu fragen. Eines Abends war es dann so weit. Ich nahm ein kleines Objekt von meinem Schreibtisch im Zimmer in den Mund, in der Hoffnung daran zu ersticken, was bedauerlicherweise schief lief, mir ein Gespräch bei der Psychologin einbrockte und letztlich zum Abbruch der Ausbildung führte.

Da meine Eltern zu diesem Zeitpunkt im Urlaub waren, holte mich meine Tante mit so viel Verständnis und Empathie zu sich nach Stuttgart. Als meine Eltern aus dem Urlaub zurück waren, hagelte es nur so von Vorwürfen. Wie ich nur so dünn werden konnte, dass es doch so ungesund sei, so wenig zu essen.

Mein Vater tobte vor Wut, weil ich  vom Thema Ausbildung nichts mehr wissen wollte. Ich jedoch wünschte ich mich weit weg und wollte von daheim ausziehen.

Mein Umzug – der Eingang zur Hölle

Ohne es zu wissen, betrat ich Ende 2016 den Eingang zur Hölle: Ich zog von zuhause in ein neues Wohnheim eines Sozialen Trägers im südlichen Baden-Württemberg. Nicht nur das Gebäude war neu, sondern auch die zuständigen Betreuer. Ein Riesen-Durcheinander also und ich mittendrin.

Das Innere des Gebäudes konnte ich gut wahrnehmen, die Menschen um mich herum eher weniger gut. Ich fühlte mich, als ob ich besoffen durch die Gegend torkeln würde, wie in einem Karussell  drehte sich alles. Meinen Augen fällt es unheimlich schwer, sich zu fokussieren, als hätte meine Sehkraft  einen Wackelkontakt wie eine nicht richtig eingedrehte Glühbirne.

Doch wenn alles stillsteht und die Leute  näher an mich herantreten, sehe ich recht gut. Das Umfeld um mich herum kann ich in Einzelheiten in Augenschein nehmen, wenn ich für einen Augenblick innehalte und stehen bleibe. Ich betrachte Farben, Kleidung, Geschlecht, Körperhaltung usw.  Also ist es sehr vom Standpunkt abhängig. Wenn es so chaotisch ist, wie bei einem Umzug, dann gelingt mir das nicht.

Zu Beginn hieß es, dass hauptsächlich Personen mit leichtem Handicap miteinziehen und man in seiner Selbstständigkeit unterstützt wird. Pustekuchen!

Rollstuhlfahrer und geistig Eingeschränkte waren mit von der Partie.

Eine Seheinschräkung zählt wohl nicht als Handicap, dachte ich mir, als ich merkte, wie die Betreuer mit mir umgingen.

Menschen, deren Einschränkung von außen nicht sichtbar ist, werden wohl in ihrem Hilfebedarf nicht ganz für voll genommen.

Frustration und Verzweiflung machten sich bei mir breit, als die Betreuer von mir erwarteten, dass ich allein mit dem Taxi fahren kann. Parallel bekamen es die Aufseher nicht auf die Reihe sich an Terminvereinbarungen zu halten. Keiner von denen wusste, wer mit mir zu welchem Termin geht. Ich weiß nicht, was da bei den Übergaben besprochen wird, aber auf dem Laufenden sind die Mitarbeiter sehr selten. Selbst nach den 6 Jahren,  die ich schon in diesem Wohnheim bin. Mich beschlich das dumpfe Gefühl,  nur eine Schachfigur zu sein, die sie herumschupsen können, wie es ihnen gerade passt. Und keiner weiß, was Sache ist.

Zu dieser Zeit fuhr ich täglich mit den anderen in die Behindertenwerkstatt. Auf der Fahrt dorthin wurden noch Leute von anderen Häusern abgeholt. Im Bus müffelte es so extrem, dass ich kurz die Luft anhalten musste. Ich  fühlte mich sehr unbehaglich zwischen den Leuten mit geistiger Einschränkung, ein schrumpeliger, gebückter Mann, der neben mir saß, streckte immer wieder seine Hand nach mir aus, um mir einen Luftkuss zu geben. Widerlich! Mit den Mitarbeitern in der Werkstatt konnte man sich zum Glück richtig unterhalten, und auch wenn doch einige fitte Leute mit dabei waren, schienen sie glücklich und zufrieden zu sein mit der Arbeit in der Werkstatt. Ich war hier aber so was von fehl am Platz. Auf Dauer Schrauben zählen, Kartons falten und überwiegend nur Individuen (Menschen) mit geistiger Einschränkung um mich herum?

Nein Danke!

Bin ich denn die Einzige, die den Drang nach Freiheit verspürt, mehr will als ein ganzes Leben lang immer wieder stumpfen und monotonen Aufgaben nachzugehen? Und das ganze noch unter schlechter Bezahlung. Das würde meiner Meinung nach unter Ausbeutung fallen, davon kann wirklich kein Mensch leben.

Kein Lebewohl

Die, die mir am nächsten stehen, sind so nah und doch so fern.
Zerreißen meine Träume in Stücke.
Es juckt mich nicht.

Von Vertrauen nicht die Spur.
Ist mir so was von egal, denn ich bin unangreifbar.

Der Schmerz sitzt tief,
das Herz pocht laut.
Jaulend wie ein Wolf leide ich vor mich hin.

Bin gescheitert bei dem Versuch mein Bestes zu geben, doch gegen eure Mauer komm ich nicht an.

Kein Lebwohl.
Kein Abschiedsbrief.
Kein Telefon, das klingelt.
Nur ein Post-it am Kühlschrank mit den Worten „Ich bin auf und davon“.

Ihr philosophiert über mein Leben,
zerlegt es in Teile.
Ganz gleich was geschieht, im Vergleich zu den anderen kann ich auf euren Zuspruch lange warten.

Kein Lebewohl.
Kein Abschiedsbrief.
Kein Telefon, das klingelt.
Nur ein Post-it am Kühlschrank mit den Worten „Ich bin auf und davon“.

Ihr seid der Ansicht mich zu kennen, doch mein wahres Wesen bleibt verborgen.
Zuneigung spiegelt sich in materiellen Dingen.
Doch all das ist nichts wert, wenn ich die Liebe nicht spür.

Ihr nehmt mir den Atem, stutzt mir die Flügel.
Ich ringe nach Luft,
treibe in einem Wirbel im Ozean und ohne, dass ihr es merkt,  bin ich aus eurem Leben verschwunden.

Lass es Konfetti regnen, denn jetzt komm ich.
Ab sofort mach ich mir meine eigenen Regeln.
Lass alles hinter mir,
denn in diesem Augenblick fängt mein neues Leben an.

Kein Lebewohl.
Kein Abschiedsbrief.
Kein Telefon, das klingelt.
Nur ein Post-it am Kühlschrank mit den Worten „Ich bin auf und davon“.