Schlagwortarchiv für: Konzert

Vier Tage Rock und Pommes – wie ich Rock am Ring 2023 überlebt habe

75.000 Menschen versammelten sich dieses Jahr auf dem Festival Rock am Ring, und ich mischte natürlich mit. Der enorme Menschenandrang beeindruckte mich mal wieder. Vermutlich, weil mein letzter Festivalbesuch vor Corona lag und somit verdammt lang her war. Nachdem ich schon auf dem Zwillingsfestival Rock im Park gewesen war, wollte ich dieses Jahr unbedingt einen Vergleich starten und entschloss mich für das Festival Rock am Ring.
Die Kirsche auf der Sahnetorte war das Bomben-Wetter, mit dem das Festival an den Start ging. Insofern: Setzt eure Sonnenbrille auf, vergesst die Sonnencreme nicht und kommt mit.

Einmal falsch abgebogen:
Unterwegs auf der Schnellstraße rückten mein Assistent Conny und ich dem Festival immer näher. Das einzige, was uns sprichwörtlich im Weg stand, war die Straßenbeschilderung zum General Camping. Erst nachdem Conny und ich einmal falsch abgebogen waren und uns durchgefragt hatten, sind wir nach langem Hin- und Herfahren endlich am Bereich für Menschen mit Assistenzbedarf angekommen.

Wir parkten Connys Kleinbus direkt an unserem Zeltplatz. Conny half mir beim Aussteigen. Er stellte einen Klappstuhl auf und führte mich dorthin. Darüber war ich froh, so uneben wie der Boden war. Alleine wäre ich über meine eigenen Füßen gestolpert. Gleich darauf machte sich Conny daran, das Zelt aufzubauen. Zum Glück hatten wir super-hilfsbereite Zeltnachbarn, die uns ihren Hammer borgten.

Bevor es weitergeht, hier 15 Dinge, die bei meiner Festivalausstattung nicht fehlen dürfen:
1. Mein Zelt mit zwei Schlafkabinen
2. Medikamente
3. Augentropfen für den Tag/Augensalbe für die Nacht
4. Rollstuhl (falls mir das lange Stehen bei Konzerten zu anstrengend wird und ich eine Pause benötige)
5. zwei Klappstühle
6. Klapptisch
7. ein Feldbett (vom Boden kann ich nur sehr schwer aufstehen)
8. eine 10 cm dicke, sich selbst aufblasende Matte (Vermeidung von Rückenschmerzen)
9. Sonnenbrille
10. Sonnencreme
11. Sonnenhut
12. vegane Snacks (selbstgemachte Pizzaschnecken, Apfel-Bananen-Muffins)
13. Kocher
14. Powerbank zum Handyaufladen
15. Assistenz, denn ohne die läuft gar nix

Abgesehen von den Unebenheiten war der Zeltplatz optimal. Der Campingbereich lag ganz in der Nähe des Haupteingangs. Und gleich neben rollstuhlgerechten Toiletten mit Dusche.

Was mir geholfen hat: Ich war zum ersten Mal mit neuen Schuhen aus dem Sanitätshaus auf einem Festival unterwegs, die durch ihre festere Sohle und spezielle Form für ein besseres Gleichgewicht sorgten (https://www.darco.de/yda-komfortschuhe-urban-line.html). Ich konnte länger auf einer Stelle stehen und war sicherer beim Gehen.

Damit es zum ersten Mal aufs Festivalgelände gehen konnte, brauchte ich Conny an meiner Seite. Doch was ist eigentlich sein Job als meine Assistenz? An dieser Stelle mal eine Liste zur Übersicht.

Conny im Einsatz:
1. Zelt aufbauen
2. Schlafbereich einrichten, das heißt Feldbett reinstellen, aufblasbare Matte für die Nacht vorbereiten, Schlafsack reinlegen sowie mein Gepäck verstauen
3. Medikamente, Augentropfen/Salbe reichen
4. Klappstuhl und Klapptisch aufstellen
5. Essen besorgen und eventuell vorbereiten
6. Bei mitgebrachten Snacks Plastikverpackungen und Tupperdosen öffnen
7. Mich über den Zeltplatz und das Festivalgelände führen
8. Auf Unebenheiten und Hindernisse aufmerksam machen

Ich könnte die Liste noch endlos weiterführen.

Auf dem Festivalgelände herrschte eine Wahnsinns-Stimmung und manche Leute trugen echt schräge Outfits. Essen und Getränke wurden mit dem Wristband bezahlt. Dieses Band hat einen Chip, der an einem Automaten mit Guthaben aufgeladen werden kann. Es gab zwar echt viele Stände, aber zu meiner Enttäuschung nichts Veganes. Also blieben nur noch die Pommes. Zum Glück warteten auf dem Zeltplatz meine veganen Pizzaschnecken und meine heißgeliebten Bananen-Apfel-Muffins. Insofern mein Rat an alle Veganer da draußen: Bereitet euch daheim ein paar Snacks vor.

Bei unseren Touren über das Gelände erwies sich Conny als sehr aufmerksam: Jedesmal wenn sich Unebenheiten auftaten oder sich der Untergrund veränderte, zum Beispiel von Kies auf Wiese, ein Hindernis kam oder ein großer Schritt nötig war, kündigte Conny mir dies an oder begann an zu zählen: “1, 2, 3 jetzt…”

Auf dem Festival gibt es insgesamt drei Bühnen, die Mandora Stage, die Orbit Stage und die Utopia Stage. Die Utopia Stage ist für Menschen mit Assistenzbedarf gedacht. Die anderen beiden Bühnen nicht. Das empfand ich aber als überhaupt nicht schlimm, da es echt angenehm war, auf der Wiese zu chillen und einfach aus der Ferne der Musik zu lauschen, die auch auf den anderen beiden Bühnen gespielt wurde.

Die meisten Bands, die uns interessierten, spielten so oder so auf der Utopia Stage. Foo Fighters, Rise against, Provinz, KIZ, oder Kings of Leon.

Rock, Rap oder Elektro – bei Rock am Ring ist alles zu finden. Hier findet ihr das Line-up:
https://rockamring.eifelvista.com/line-up/

Die Utopia Stage war Hammer. Ein Riesen-Fahrstuhl führte zu einer Terrasse, es gab dort Toiletten und – wichtig für mich – Pommes!

Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Riesen-Leinwand, die relativ mittig im Publikum stand. Natürlich gibt es bei allen Festivals rechts und links von der Bühne einen Bildschirm, so war das zum Beispiel bei Rock im Park oder dem Southside-Festival. Der dritte Bildschirm hatte aber definitiv einen positiven Effekt für mich. Ich konnte viel näher davorstehen, und da er mittig war, hatte ich einen direkten Blick darauf

Mein Fazit:
Abgesehen davon, dass es für Veganer nur Pommes gab, habe ich mich als Person mit Seheinschränkung über diese Hammer-Leinwand gefreut. Sie ermöglichte mir auch visuell ein besonderes Konzerterlebnis. Denn normalerweise sehe ich von dem Spektakel auf der Bühne nur einen Bruchteil. Das war diesmal ganz anders – und für mich deshalb wirklich besonders.

Franzi auf dem Rock am Ring.

Neu beginnen

Der erste Schritt in eine neue Richtung bedeutet, dass man sich bewusst von der Vergangenheit abwendet. Um einen Neuanfang zu starten ist es wichtig, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie für null und nichtig erklärt wird.

Jetzt im Oktober 2022 ist es dazu gekommen, dass ich unfreiwillig und doch irgendwie freiwillig aus dem Wohnheim ausziehen muss. Der Grund ist ziemlich simpel. Der Deal mit dem Landratsamt war, dass ich bis Frühjahr 2023 eine Wohnung haben muss, ansonsten ist die Konsequenz aus dem Wohnheim auszuziehen. Madlen und andere Ehrenamtliche haben bereits überall gesucht. Es waren Städte wie Berlin, Hamburg, München, Heidelberg und Weingarten/Ravensburg mit dabei. Es heißt zwar immer, dass auch Menschen mit Assistenzbedarf genauso das Recht wie Normalos haben, überall zu wohnen, wo sie möchten. Allerdings durfte ich die Erfahrung machen, dass dies nicht der Fall ist.

Es werden einem vom Landratsamt die Quadratmeter der Wohnung vorgegeben und wie hoch die Miete sein darf. Die tatsächliche Miete ist entweder zu hoch, wenn man eine passende Wohnung gefunden hat. Oder wenn die Miete passen würde, ist die Wohnung zu klein oder nicht barrierefrei. Die Miete darf nicht mehr als 460 Euro betragen. Auf dem heutigen Wohnungsmarkt für diesen Preis eine 50-Quadratmeter-Wohnung zu finden, ist sehr unrealistisch. Ist die Wohnung kleiner, fehlt die Bewegungsfreiheit, die ich durch meine Seheinschränkung und so viele Gleichgewichtsstörungen benötige. Dort wäre die Gefahr zu groß, dass ich stolpere und nicht die Möglichkeit habe auszuweichen.

In Berlin, wo ich in unbedingt hin wollte, aber auch in anderen Städten scheiterte es an einigen weiteren Punkten, die für Normalos kein Problem darstellen.
Wenn ich Wohnungen angefragt habe, war ds die Mankos: Im Flur befand sich am Treppenaufgang nur auf einer Seite ein Handlauf – oder noch schlimmer: gar kein Geländer. Eine Badewanne als Dusche ist ein absolutes No-Go für mich, es kommt nur eine ebenerdige Dusche infrage.Von Tür- und Bodenschwellen ganz zu schweigen. Und eine Herausforderung am neuen Ort wäre gewesen, viele neue Ehrenamtliche zu finden. Da hat das soziale Engagement der Menschen meinem Eindruck zufolge nachgelassen hat, wurde es für mich schon in Weingarten immer schwieriger, neue Ehrenamtliche zu finden. Vor allem seit Corona ist dies der Fall.
Ehrlich gesagt trieb mich das häufiger an den Rande des Wahnsinns. Die zwischenzeitlich realisitische Hoffnung, in Bad Saulgau eine barrierefreie Wohnung zu erhalten, scheiterte daran, dass der Assistenzdienst, der zum Konzept hinter dieser Wohnung gehörte, noch ziemlich am Anfang stand und zu wenig Personal vorhanden war.

Ich bemühte mich, mehr auf die Betreuer zuzugehen und Unterstützung für den Alltag einzufordern. Dies funktionierte leider nur bedingt und ließ mit der Zeit auch wieder nach. Dem Landratsamts reichte die Mühe nicht aus. Aus deren Sicht passte ich mich der Tagesstruktur im Wohnheim nicht an. Die Botschaft, die bei mir gefühlt ankam: „Geh wie alle anderen Behindis in der Werkstatt Schrauben zählen und lass dich ab 16 Uhr von den Betreuern nach ihren Vorstellungen betreuen. Frei nach dem Motto: Wer nicht spurt, der fliegt.“

Sobald man zusätzlichen Unterstützungsbedarf äußert, geräte man in die Rolle des Bittstellers und muss sich für seinen Bedarf rechtfertigen.

Wenn ich eines mitnehme und gelernt habe in diesen 6 Jahren, dann ist es, dass man nur eine Nummer unter vielen ist und kein Mensch mit Persönlichkeit, Charakter und Träumen. Und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft wird einem eher erschwert anstatt es einem leichter gemacht wird, wenn man in einer solchen Einrichtung lebt.

Zum Glück kommt Aufgeben in meinem Wortschatz nicht vor.

Jetzt ziehe ich zurück zu meinen Eltern, die im Kreis Calw leben.

Wenn alles gut läuft, habe ich Ende 2024 in Neuhengstett meine erste eigene und vor allem eine barrierefreie Wohnung. Sofern mir das Landratsamt keinen Strich durch die Rechnung macht.

All die destruktiven Kränkungen und die Tränen, die vor Wut geflossen sind, lass ich hinter mir. Die Überwindung der Tränen hat mich stärker und lebensfroher gemacht und dafür gesorgt, dass ich auch für die kleinen Dinge im Leben dankbar bin, vieles lockerer nehme und mit Humor durchs Leben schreite – auch wenn mich und meine Wünsche nicht jeder versteht.

Ich habe mir erneut selbst Hilfe und Beratung organisiert. In Stuttgart kann ich bald mit Ansprechpartnern von Blindenvereinen sprechen, von denen ich mir neue Tips und Hilsmittel für den Alltag erhoffe. Auch mein persönliches Projekt, diesen Blog zu starten, und der Plan, eventuell eine Ausbildung zu beginnen, stehen im Vordergrund.

Denn selbst wenn ich das Wohnheim verlasse, sind der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben und der Drang sich zu verwirklichen nicht gebrochen. Im Gegenteil.

Trotz aller Widerstände durfte ich tolle Menschen mit großem sozialem Engagement kennenlernen. Ohne diese Personen hätte ich mich nicht so weiterentwickelt und wäre nicht da, wo ich jetzt bin. Wenn ich sie brauchte, waren sie da. Wir haben viel gelacht, Spaß auf Festivals und Konzerten gehabt, und vor allem haben Sie mich in meiner persönlichen Entwicklung gefördert.

Danke dafür!

Der Mann hinter dem Vorhang: Max Giesinger gibt unbeschreibliches Konzert in Stuttgart

Das Publikum zückte die Handys, funkelnde Lichter strahlten von Tausenden Displays auf die Bühne. Hinter einem Vorhang erschienen Schatten, deren Konturen schwer zu erahnen waren. Nur ganz links war deutlich der Gitarrist zu erkennen.

Die Umrisse wurden immer deutlicher, und schließlich betrat Max Giesinger die Bühne.

Die Menschenmenge klatschte, jubelte, und Max Giesinger sang seinen erste Song an diesem Abend. Elena, meine Begleiterin, die neben mir saß, beschrieb mir das Geschehen auf der Bühne und das ganze Drumherum so genau wie möglich. Sei es ein plötzlicher Bühnenwechsel von der großen auf eine kleinere Bühne Mitten im Publikum, oder dass der Künstler durchs Publikum lief. Er hatte einen Beutel dabei, aus dem er Zuschauer kleine Zettel mit unterschiedlichen Songtiteln ziehen ließ. Kurz darauf präsentierte er diese Songs dann auf der Bühne. Eine originelle Idee. Und ich hatte mich schon gewundert, warum Max Giesinger fremde Songs spielt.

Erst als Elena mir davon berichtete, ging mir ein Licht auf und ich verstand, warum. Den Gesang, die Freudenschreie der Menschen, das hörte ich. Das Lichterspiel auf der Bühne konnte ich bis zu einem  gewissen Grad recht gut erkennen. Im Verlauf des Events verließ ich mich aber irgendwann vollkommen auf Elena. Ich bemühte mich erst gar nicht, die visuellen Eindrücke aufzunehmen, sondern versuchte, mich auf das zu fokussieren, was ich hörte. Alles andere hatte gar keinen Zweck.

Ich nahm die schwungvolle, gute Stimmung in der großen Halle (Porsche Arena) wahr und das Leuchten der Handydisplays, was für mich aussah wie kleine, helle, leuchtende Punkte. Max Giesinger plauderte immer mal wieder aus den Nähkästchen und unterhielt sich mit dem Publikum. Dadurch entstand eine gewisse Vertrautheit, als ob man sich mit einem guten Freund gemütlich im Wohnzimmer unterhalten würde. Genau das machte das Konzert für mich so besonders.

Wer von euch war selbst schon auf einem Konzert von Max Giesinger?

Wie nehmt ihr ein Konzert wahr?

Was macht für euch ein Konzert besonders?

Für mich ist die Beschreibung meiner Begleitung ausgesprochen wichtig. Hören kann ich alles selbst, aber Mit der Beschreibung erschuf Elena ein Bild voller Farben in meinem Kopf. Zur Unterstützung fotografierte und filmte Elena immer mal wieder kurze Sequenzen des Konzertes. Das hatte den Vorteil, dass ich die Bilder sowie Videos zu Hause noch mal ranzoomen und genau anschauen konnte. Wie trug Max seine Haare, was hatte er an? Sogar seine Mimik konnte ich so erkennen.
Elena machte das Konzert zu einem wunderschönen Ereignis. Dazu möchte ich erwähnen, dass dies das erste gemeinsame Event mit Elena war und sie erst kurz als Assistenz für mich im Einsatz ist.

Alles in allem ein sehr gelungener Abend und ein Konzert, das ich sicher nicht so schnell vergessen werde.

Bio-Café Blütezeit: ein Ort der Entspannung für den perfekten Start in den Tag

Das Café Blütezeit (Laurenzerberg 1 11-15, 1010 Wien) entführt einen für einen kurzen Augenblick in den Sommerurlaub, wo man sich von veganen sowie vegetarischen Speisen verzaubern lassen kann. Wer eine Auszeit vom Alltag wünscht, ist hier bestens aufgehoben.

Räumlichkeiten:
Den Innenraum kann ich nicht bewerten, weil wir bei sonnigem Wetter im Freien Platz genommen haben.
Trotz der dicht gedrängten Tische und Stühle setzte ich mich gekonnt hin – als ob ich nichts anderes machen würde. Ich war schon ein paar Tage in Wien unterwegs, und mit der Zeit sind solche Situationen nichts ungewöhnliches mehr: Ich platzierte mein linkes Bein mit der Schiene nochmals richtig unter den Tisch – und dann konnte es losgehen.

Bestellprozess:
In der Menükarte finden sich zum Beispiel viele verschiedene Bowl-Varianten, Porridge und unterschiedliche Arten von Tostadas. Mein Wahl fiel gleich auf zwei Frühstücksvarianten. Veganen Acai Bowl mit Banane, Heidelbeeren, Chia, Kokosflocken und einem Hauch Balsamico. Und: Vegane „Matcha Banana“ mit einer Basis aus Maisgrieß und Hafer, Heidelbeeren, Granola und gerösteten Mandeln. Matthis nahm den „Kleinen Wiener“ mit Rührei aus zwei Eiern, Brot und Butter. Außerdem aß er eine Frühstücks Bowl. Wir waren mit unserer Auswahl mehr als zufrieden.

Geschmack:
Aromatisch, süß und so lecker dass man sich gleich einen zweiten Nachschlag bestellt.

Preis-Leistungs-Verhältnis:
Wer ein kleines und günstiges Frühstück will, wird hier fündig. Und wer mit großem Hunger kommt, kann sich gleich mehrere Speisen von der Karte aussuchen – dann ist der Frühstückstisch üppig gedeckt. Ein Lob für diese flexible Art, sich sein Frühstück je nach Preisvorstellungen und Hunger selbst zusammenzustellen.

Fazit:
Schade, dass wir das Café erst am letzten Tag unserer Wienreise besucht haben. Sonst wäre ich jeden Tag zum Frühstück dorthin gegangen, um die komplette Menükarte durchzuprobieren. Die Gerichte sind jeden Cent wert.

Café Blütezeit bei Instagram

Secret Garden: Ein geheimer Garten, der Balsam für die Seele bringt

Wer der Hektik und dem Lärm des Alltags entfliehen möchte, der gehe durch den Reihmundhof in Wien. Denn zwischen den kleinen Läden und Kaffees versteckt sich das Restaurant „Secret Garden“. Eine Oase des Friedens, wo du deine Seele baumeln lassen kannst  und Mahlzeiten für Körper und Geist findest.

Räumlichkeiten:
„Secret Garden“ ist ein kleineres vegetarisches und veganes Restaurant. Kleine eckige Tische sind aneinandergereiht, man sitzt auf runden Stühlen. Optisch betrachtet sieht es gut aus, doch je enger Stühle und Tische stehen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit für mich, in so einer Situation über meine eigene Beine zu stolpern. Mit diesem Hintergrundwissen bevorzuge ich  Sitzbänke in Restaurants und Bars. Die grasgrünen Sitzbänke und die Topfpflanzen an der Wand hatten für mich etwas Beruhigendes, als ich mich setzte.
Hinter dem Tresen hielten sich zwei der Kellnerinnen auf, die Bestellungen entgegennahmen und gerade einer Kundin das Essen über den Tresen zum Mitnehmen reichten. Ich hörte wie die Leute in der Küche zu Gange waren. Der Raum war nicht zu klein und nicht zu groß. Somit konnte ich mich  schnell orientieren. Es war ziemlich ruhig, da nicht ganz so viele Gäste da waren. Als ich mich später auf den Weg zur Toilette machte, verlor ich kurz das Gleichgewicht  und nahm dadurch Notiz von dem Holzboden under meinen Füßen, der an der einen oder anderen Stelle nicht ganz eben ist. Lässt man die eng aneinandergereihten Tische und Stühle sowie die Unebenheiten des Holzbodens außer Acht, war das Restaurant für meine Bedürfnisse gut geeignet. Der Raum versprüht eine entspannte Atmosphäre.

Bestellprozess:
Sich die Menükarte von Matthis vorlesen zu lassen, ohne das Gefühl zu haben, sich schnell für ein Gericht entscheiden zu müssen, machte mich gelassen. Keine Ahnung wie es anderen Leuten damit geht, für mich ist es mega-anstrengend die Speisen auf der Menütafel zu entziffern, mich bei all dem Trubel in einem vollen Restaurant zu orientieren. Größtenteils bin ich so sehr damit beschäftigt, mich in unbekannten Räumen als Seheingeschränkte zu orientieren, dass es mir schwer fällt, eine schnelle und klare Entscheidung zu treffen.
Die Bedienung war sehr freundlich und das Essen ließ nicht lange auf sich warten.
Für Personen, die es eilig haben, besteht die Möglichkeit an der Theke Kuchen und warme Speisen zum Mitnehmen zu bestellen.

Geschmack:
Das Linsendal hatte einen leicht exotischen Touch und der Schoko-Kokoskuchen kann ich jedem Kokosliebhaber weiterempfehlen. Sehr luftiger, schockoladiger Geschmack mit einer intensiven Kokosnuss-Note.
Die Speisen werden in runden asiatischen Tellern oder Schüsseln serviert. Der Besuch versetzt einen direkt nach Asien.

Preis-Leistungs-Verhältnis:
Die Speisen sind ihr Geld absolut wert.

Fazit:
Jeder, der sich nach Erholung vom stressigen Alltag sehnt, einen anstrengenden Arbeitstag oder seine Probleme für einen Moment hinter sich lassen möchte, ist im Restaurant „Secret Garden“ genau am richtigen Ort.

https://www.secretgardenrestaurant.at/

Mit Seheinschränkung leben: Diese Hilfe brauche ich im Alltag

Ich lebe seit 2012 mit einer Seheinschränkung, einem sogenannten Nystagmus. Ich habe euch schon erklärt, was das ist, wie mein Sehen dadurch eingeschränkt ist und wie ich mich seit der  Seheinschränkung in meiner Wohnung organisiere. Bei vielem, was ich machen möchte, benötige ich Hilfe – vor allem, wenn ich unterwegs sein will. Was ist also die Aufgabe der Person, die mich im Alltag und auf Tour begleitet? Hier einige Tipps, die für Euch im Umgang mit seheingeschränkten Menschen vielleicht auch hilfreich sein können. Wobei es am besten ist, immer zu fragen, welche Hilfe auch erwünscht ist.

Sei es beim Arztbesuch, auf Reisen, beim Museumsbesuch oder auf größeren Veranstaltungen – es sollte der Begleitperson bewusst sein: Mich zu begleiten, ist mit Arbeit und Verantwortung verbunden, auch wenn es sich um Freizeitaktivitäten handelt.

Immer, wenn es rausgeht, bin ich auf Teamwork angewiesen:

Unterwegs mit Bus und Bahn:

Wenn ich unterwegs bin, verlangt meine Seheinschränkung den Assistenten einiges ab – aber selbst wenn mal was nicht so läuft, wie es soll, versuche ich es mit Humor zu nehmen. Vor allem Bus und Bahn werden für mich zur Wackelpartie. Meine Begleitung muss für mich nach einem Platz Ausschau halten und mir sagen wo ich mich festhalten kann. Bei diesem Tehma muss ich an eine Bahnfahrt auf der Reise nach Wien denken. Oft muss es schnell gehen, die Bahn war in diesem Fall nicht so nett, zu warten bis ich mich hingesetzt habe – ich bin ruckartig in den Sitz gefallen. Einmal bin ich sogar beinahe auf die Person gestürzt, die mir gegenüber saß. So oft wie dort in den öffentlichen Verkehrsmitteln hatte ich schon lange nicht mehr den Halt verloren.

Unterwegs mit dem Auto:

Wenn ich mit Assistenten im Auto unterwegs bin, dann ist das für mich komfortabler. Aber auch hier ein Beispiel, wo trotzdem Probleme entstehen können. Wir sind auf dem Weg zu einem Treffen, Termin oder zu einer Veranstaltung. Wenn ich schon ausgestiegen bin und die Begleitperson bemerkt, dass sie noch einen Parkschein lösen muss, dann sollte sie mir das mitteilen, bevor sie geht. Und sie sollte dafür sorgen, dass ich mich entweder setzen oder irgendwo so lange festhalten kann bis sie wieder kommt.

Unterwegs zu Fuß:

Wenn wir zu Fuß unterwegs sind, ist Kommunikation elementar. Denn ich kann es nicht ausstehen, wenn aus heiterem Himmel an mir gezogen wird. Ich muss und möchte erst einmal wissen, was los ist. Sagt mir zum Beispiel, dass ein Auto entgegenkommt, das ich nicht sehe. Oder sagt mir, dass wir abbiegen müssen. Oder dass ihr mir etwas zeigen möchtet. Ihr habt einen Mund zum Reden, also benutzt ihn auch. Kommt nicht mit solchen vagen Aussagen wie „Da kommt ein Auto“, „Hier lang“, „Da hin“ oder – noch schlimmer – mit Schweigen. Wichtig ist, dass ihr die Umgebung für mich genau betrachtet und mögliche Stolperfallen für mich erkennt. Das könnte sein: ein nicht rangerückter Stuhl, eine Teppichkante, Stufen, der Bordstein oder ein sonstiger Absatz, Wurzeln oder Steine auf dem Weg.

Aber es gibt noch viel mehr Punkte in meinem Alltag, an denen ich Hilfe brauche. Und Verhaltensweisen, auf die ich besonders viel Wert lege:

Beschreibung meines Umfeldes bei Gefahr:

Wenn ihr mich warnen wollt, dann reicht es nicht „Vorsicht, pass auf“ zu sagen. Wenn ich so was höre komme sogar ziemlich schnell ins Schwanken, weil ich verunsichert bin. Die Angaben sollten möglichst präzise sein. „Vor dir kommt eine Stufe“, „Links von dir möchte eine Person vorbei“, „Direkt hinter dir steht ein Einkaufswagen“ – damit kann ich was anfangen. Und immer gilt: Beschreibe mir, was Du siehst.

Beschreibung eines Weges:

Die Seheinschränkung brachte mir die erschreckende Erkenntnis, dass die Sehenden richtig mies darin sind, Wege so zu beschreiben, damit ich was damit anfangen kann. Bei Wegbeschreibungen ist es wichtig für einen Seheingeschränkten, zu wissen, dass er oder sie auf dem richtigen Weg ist. Makante Anhaltspunkte sind dabei sehr hilfreich. Das kann eine Baustelle, ein Dornenbusch, eine Kirche oder ein Geschäft sein.

Beschreibung von sehenswerten Besonderheiten:

Sehenswürdigkeiten oder Kunst im Museum zu beschreiben ist noch einmal schwieriger. Aber versucht es. Ihr schenkt der seheingeschränkten Person einen großen Mehrwert damit. Der Besuch in einem Museum oder eine Reise gewinnt an Qualität und ihr selbst lernt noch etwas dazu. Ohne genaue Beschreibungen sind Museumsbesuche oder Fahrten zu Sehenswürdigkeiten aus meiner Sicht sonst reine Zeitverschwendung für mich.

Unterstützung bei schriftlicher Kommunikation:

Zu meinen Alltag gehört wie bei jedem anderen Menschen schriftliche Kommunikation. Wer mich kontaktieren möchte, sollte das am besten über WhatsApp oder per Mail tun. Dort habe ich die Möglichkeit, den Text zu vergrößern. Für weiterleitete Dokumenten per Mail sind PDF-Dateien für mich am praktischsten. Falls nur ein Blatt Papier in greifbarer Nähe ist, um schriftlich etwas festzuhalten, dann am besten groß, in Druckschrift und mit einen dicken Filzstift schreiben.

Orientierungshilfe bei Veranstaltungen:

Meine Assistenz teilt mir mit, wenn ihr den Raum betretet oder das Gespräch verlässt. Fragt mich, wo ich sitzen möchte, beschreibt mir den Raum und die möglichen Sitzplätze.

Gibt es noch weiter Punkte?

Die Assistenz ist also so gut wie immer meine Begleitung. Aber trotzdem möchte ich selbst wahrgenommen werden. Fangt nicht an, Fragen an die Assistenz zu stellen, die eigentlich an die Person mit Behinderung gerichtet sind. Das empfinde ich als dermaßen respektlos. Es gibt mir das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Es ist, als ob ich nicht existieren würde. Gleichzeitig solltet ihr der Assistenz Wertschätzung entgegenbringen.

Wie die Assistenz Wien zum Leben erweckt

Ursprünglich hatte ich nie vor, nach Wien zu gehen. Nachdem mein Vater mir jedoch Konzertkarten für SDP in Wien besorgt hatte, entschied ich mich für einen Kurzurlaub. Matthis, mein neuer Assistent für Sport und Freizeit, begleitete mich dabei. Vor allem nach der coronabedingten Pause für viele Künstler und ihre Fans erwartete ich, dass das Konzert wie eine Bombe einschlägt. Die Recherchen über Wien überließ ich bei diesem Trip zum ersten Mal meinen Assistenten.

Hier erfahrt ihr, wie Matthis mich durch Wien geführt hat, wie man seinen Job als Assistent richtig macht und was mir besonders an der Reise gefiel.

Angebote und Sehenswürdigkeiten:
Mitten in der historischen Hauptstadt Österreichs begann unsere Reise bei den üblichen Sehenswürdigkeiten, über die ich Euch hier gar nicht viel erzählen will. Die Informationen findet ihr in jedem Reiseführer. Ich schildere Euch meine ganz persönlichen Eindrücke von Wien.

Die Treppen, die kein Ende nahmen!
Unterwegs in der Innenstadt stieß ich, wo auch immer wir waren, auf Treppen, die zu meinem Glück rechts und links mit einem Handlauf ausgestattet waren. In keiner anderen Stadt konnte ich so viel Treppen steigen.

Die Rolltreppen beunruhigten mich allerdings. Trotz Vorankündigung von Matthias trat ich zum falschen Moment auf die Rolltreppe. Ohne dass er mich festhielt, funktionierte das Ganze nicht. Ich stürzte eher nach vorne, als dass ich das Gleichgewicht halten konnte.

So sehr mich Wien auch faszinierte, die Orientierung nach den Himmelsrichtungen war auch nach den Tagen dort noch immer ein Desaster.

Ich konnte oft nicht einordnen, wo wir uns genau in Wien befanden.

Veganer haben ein hartes Los:
Während ich mit Matthias durch den Naschmarkt schlenderte machte sich Frust breit.

120 Marktstände und Lokale von wienerisch bis indisch, von vietnamesisch bis italienisch –  doch von veganem Essen oder Restaurants keine Spur. Nach langem Suchen landeten wir in „Swing Kitchen“, einem veganen Fast-Food-Restaurant. In der Zeit, die ich in Wien verbrachte, besuchten wir 6 bis 7 Restaurants, die mich alle nicht wirklich vom Hocker hauen konnten im Gegensatz zu denen in Berlin. Ich empfand es als sehr schwierig, in Wien als Veganer fündig zu werden.

Ein kleiner Trost:
Ich war wie verzaubert, als ich den langgestreckten Innenhof Sünnhof zu Gesicht bekam. Mein Blick richtete sich auf die schillernden Farben der Regenschirme, die in der Luft schwebten und in der Dunkelheit von Glühbirnen beleuchtet wurden.

Gewiss existieren noch andere Innenhöfe in Wien. Unteranderem kann ich den „Raimundhof“ wärmstens empfehlen. Dieser Hof wird von mehreren kleinen Lokalen und Cafés geziert. Auch besonders schön war der Hof in der „Neustiftgasse“. Er war extrem charmant und südländisch in seinem Flair. Der Durchgang lädt zu einem netten Spaziergang unter einem teils grünen Blätterdach ein.

Abenteuerlust:
Die reinste Lebensfreude packte mich, als ich mitten im Freizeitpark stand.  Der Prater sprühte vor Energie und die Menschen waren in bester Laune.

Es wurde einiges geboten: turbulente Achterbahnen, gruselige Geisterbahnen und Attraktionen für Groß und Klein. Doch so spaßig und adrenalingeladen das Ganze auch sein mag, keine von all den Attraktionen war barrierefrei.

So blieb nur das Riesenrad für mich. Matthis half mir in den Waggon und es ging hoch hinaus. Er hat mich wirklich toll begleitet: Die ganze Recherche im Vorfeld und die Organisation hat er übernommen. Ich musste mich um nichts kümmern und konnte Wien ganz entspannt erleben. Ob zwischen den alten Häusern oder wie im Riesenrad hoch über den Dächern der Stadt.

Kühle Getränke an der Donau und eine Vielfalt an Kunst:
Entlang des Donaukanals sammelte sich ein buntes Volk, welches sich von den Graffitis an den Mauern entlang des Kanals inspirieren lassen konnte. Ob man sie für Kunst oder Klecksereien hält, Graffitis prägen an vielen Stellen Wiens Stadtbild. Besonders an den Mauern entlang des Donaukanals. Mit der Zeit fiel mir auf, dass einige Graffitis mit viel Aufwand verbunden gewesen sein müssen – im Unterschied zu den sogenannten Tags, die in kurzer Zeit und meist illegal an Häuser, Züge oder Straßenschilder gesprüht werde.

Gemeinsam saßen Matthis und ich an einer Bar und genehmigten uns ein kühles Getränk. Dazu genossen wir die Klänge der Musik in unseren Ohren.
Als wir ausgetrunken hatten, sprang ich vom Barhocker: Ich war jetzt neugierig darauf, an den Graffitis vorbeizugehen.

Matthis machte mich auf Metall-Gestalten aufmerksam. Wenn mich Matthis nicht drauf aufmerksam gemacht hätte, wäre ich schnurstracks daran vorbeigelaufen.

Abstrakte Figuren aus braunem Rost und Metall, die sich gegenübertreten und gegeneinander kämpfen. Gestalten, die so stark mit Dellen „verziert“ waren, dass für mich nicht erkennbar war, was sie darstellen sollten. Die Darstellung der Statuen war auch für Matthis schwer zu beschreiben.

Der Spaziergang am Donaukanal wurde zu keiner Sekunde langweilig. Es kam mir wie ein Street-Art-Museum vor, welches mit täglich neuen Werken, die es zu entdecken galt, bestückt war.

Ein absolutes „Muss“ für einen jeden, der sich für Kunst begeistert.

Das Allrounder Musiker Duo SDP als Schlusslicht!
Der Andrang in der Halle war gigantisch. Matthis holte sich Popcorn, bevor wir endlich unsere Plätze aufsuchten. Ich spürte die Aufregung der Leute, die es kaum noch erwarten konnten.

Mathis führte mich zu unseren Plätzen. Wir saßen kaum, schon heizte die Vorband erstmal ordentlich ein. Dann endlich begann das eigentliche Konzert und „SDP“ erschien auf der Bildfläche. Vincent und Dag freuten sich nach so langer Zeit wieder auf der Bühne zu stehen. Es zischte und blitzte nur so vor Leuchteffekten. Von alten Kinderzimmerliedern bis zu aktuellen Songs war alles dabei und ich kannte sie alle: Von „Der Anfang anzufangen“ bis zu der neuesten Single „Du hast gehofft“.

In dem Augenblick als das Konzert begann, erblickte ich das Lichterspiel der Show und alles andere war für mich nicht greifbar. Weder die Bühne noch die Band. Mit gespitzten Ohren schenkte ich der Musik meine volle Beachtung. Zwischen dem Jauchzen und dem Gesang des Publikums ertönte eine Mischung aus Hip Hop, Pop und Elektro in meine Ohren.

Ich schwebte auf den Melodien und wippte zum Takt. Den Aufbau der Bühne und die ganze Show überließ ich meiner Fantasie – die Bühne war einfach zu weit weg.

Matthis übernahm überwiegend den ruhigen Part.

Es war ein gelungener Abend und der perfekte Abschluss von unserer gemeinsamen Reise in eine der prunkvollsten Städte Europas.

Meine Tipps für Euch:

  • Die Regenschirmgasse: Wir waren nachts dort, die Beleuchtung über dem Hof hat die Schirme wunderbar bunt leuchten lassen. Wenn das mal nicht die richtige Kulisse für einen romantischen Spaziergang ist. https://www.wien.gv.at/spaziergang/innenhoefe/suennhof.html
  • Graffitis am Donaukanal: Ich liebe alles, was farbenfroh ist. Und es gibt keine Vorschriften für die Künstler, hier leben sich die Sprayer aus. Und auch die abstrakten Metallfiguren haben es mir angetan. Wer auf diese Art von Kunst blickt, kann seiner Fantasie freien Lauf lassen. https://www.meinbezirk.at/leopoldstadt/c-freizeit/streetart-und-graffitis-am-donaukanal_a2275566
  • Vegane Pizza, das sagt schon alles – wir waren oft in Restaurants, die nur ein oder zwei vegane Optionen im Angebot hatten. Aber hier hatte ich die ganze Karte zur Auswahl. Bei mir zuhause gibt es keinen einzigen Laden, der vegane Pizza anbietet. Daher war ich hier im Pizzahimmel – mega lecker und man musste überhaupt nicht lange warten.

Mein Fazit:

Wien war von der Sauberkeit her eine echte Ausnahmeerscheinung. Vor allem im Vergleich zu Berlin, wo ich zuvor unterwegs war. Berlin ist schmutziger, dafür bietet es eine riesige Auswahl an Restaurants für Veganer – im Gegensatz dazu geht man in der Hauptstadt des Wiener Schnitzels und Heimat des Kaiserscharrn als Veganer heillos unter. Essen ist mir im Urlaub wichtig, deshalb hat mich die Stadt teilweise etwas frustriert. Auch die vielen historischen Sehenswürdigkeiten mögen manche toll finden, mich haben sie nicht vom Hocker gerissen. Wer sich wie ich bei den Graffitis am Donaukanal am wohlsten fühlt, fährt für den nächsten Kurztrip wahrscheinlich wieder lieber nach Berlin.

Wie ein Trip nach Berlin mich verändert hat



Von Weitem erblickte ich, wenn auch unscharf, die Siegessäule von Berlin. Den Kopf aus dem Autofenster gestreckt, kamen wir der Großstadt näher. Ich war voller Vorfreude und konnte es kaum erwarten, die Stadt zu erkunden. Dietrich (Name geändert) parkte das Auto 10 Minuten vom Hotel entfernt und holte das Gepäck aus dem Kofferraum. Dietrich und ich kannten uns erst seit einem halben Jahr. Zwar waren wir zuvor schon öfter für mehrere Stunden unterwegs gewesen, doch dass er mich gleich mehrere Tage begleitet, ist für uns beide neu. Eine Reise, die also spannend werden dürfte.

Sightseeing in Berlin

Am darauffolgenden Tag klopfte es an meiner Zimmertür und Dietrich stand vor mir, um mich abzuholen. Behutsam legte ich meine Hand auf seine Schulter. Der Flur war gerade mal so breit, dass wir hintereinander laufen konnten. Also nahm ich meine Hand von der Schulter und stütze mich an der Wand ab. Unter den Füßen knarrten die Holzdielen. Sobald es uneben wurde, sagte Dietrich Bescheid oder half mir geschwind über die Erhöhung der Bodendiele hinweg. Typisch Altbau eben.

Draußen nahm ich den Tumult des Straßenverkehrs wahr.

 Meine Augen schweiften kontinuierlich hin und her, ich versuchte einen Eindruck der fremden Umgebung zu bekommen. Doch so war es mir unmöglich, ein klares Bild zu fassen.

Für fünf Tage sollte Dietrich mich nun durch Berlin begleiten und den Fremdenführer spielen. Deutschlands Hauptstadt wartete darauf, von uns erkundet zu werden.
 
Fest eingehakt bei Dietrich lief ich über die Straße. Auf den Verkehr sowie die Ampeln brauchte ich nicht zu achten. Genauso wenig auf die Bordsteinkanten. Als Begleitperson war das unter anderem sein Job, mich darauf hinzuweisen.

Erster Stopp, eine Schiffsfahrt über die Spree. Doch zuvor mussten wir ein kurzes Stück mit dem Bus fahren. Da ich weder den Busfahrplan noch vorn die Anzeige der Busse lesen konnte, nahm mir Dietrich diese Aufgabe ab. Als der Bus vor uns hielt, ging Dietrich einen großen Schritt voran, hielt mich dabei immer noch fest, und ich machte es ihm nach. Dietrich räumte den Weg frei auf der Suche nach einem Sitzplatz.

Wenig später stupste mich jemand von der Seite an. Es war Dietrich, der mir zu verstehen gab, dass wir jetzt an dieser Haltestelle auszusteigen haben.

Aus dem Bus draußen, blieben wir kurz stehen. Ich versuchte mich neu zu orientieren. Doch es dauerte viel zu lange bis meine Augen sich fokussierten und ein klares Bild entstehen konnte. 

Mit einem Mal zog Dietrich an mir und strecke den Arm Richtung Spree aus, wo das Schiff schon abfahrbereit stand. Wir setzen uns in Bewegung und die Menschen, die Straße, der Verkehr wurden unscharf.

Wir legten einen Sprint hin um noch rechtzeitig an Bord zu gehen. Dietrich griff nach meinem Geldbeutel und legte das Geld vor, plus Behinderten-Ausweis. 

Das war wirklich eine Erleichterung für mich, immerhin hatte er zwei funktionsfähige Arme – anders als ich. Durch meine Spastik am linken Arm funktioniert nur die Grobmotorik, die Feinmotorik fällt komplett weg. Der rechte Arm ist vollkommen funktionsfähig und gesund.

In kleinen Schritten ging ich die Wendeltreppe hoch an Deck. Rechts war ein Handlauf, an dem ich mich festhielt. Stufe für Stufe bewegte ich mich vorwärts. Mit dem rechten Fuß ging ich voran, das linke Bein, an dem die Schiene befestigt war, kam nach. Vor jeder Stufe wartete ich, bis ich das Gleichgewicht wieder erlangt hatte. Oben angelangt hielt ich mich an Dietrich fest. Er hielt nach zwei geeigneten Plätzen Ausschau.

 Inmitten der knallenden Sonne, die auf unsere Köpfe schien, hörte ich das Wispern der Spree in meinen Ohren. 

Im Laufe des Tages besichtigten wir auch noch den Fernseherturm, der unterm Strich nicht besonders erwähnenswert war. Trotz einer Höhe von 368 Metern. Dann besuchten wir das Brandenburger Tor sowie das Jüdische Museum. Vom ständigen Stehen, Laufen und wieder Anhalten vor einem Bild, sobald Dietrich mir vorlesen wollte, was darüber geschrieben wurde, taten mir die Füße weh.

Das kulinarische Berlin

In Berlin existiert eine Vielzahl von veganen Restaurants. Von süßen Donuts bei Brammibal’s Donuts bis zu asiatischen, mexikanischen sowie türkischen Kochkünsten. 

Ich liebe die vielen Möglichkeiten an veganen Restaurants. Dietrich las mir die Gerichte aus der Speisekarte vor oder schnitt mir das Essen klein, falls notwendig. 

Einen Besuch wert: Der ,,Xuan Markt“ im Bezirk Lichtenberg. Frei übersetzt wird der Markt auch als Frühlingswiese bezeichnet.
 
Ich für meinen Teil nahm nicht mehr wahr als das lebhafte Gewusel der Menschenmasse und die fernöstlichen Gerüche, die in meine Nase stiegen. 
Dabei waren wir noch nicht einmal in die sechs Hallen des Doung Xuan Center eingetreten, wo es alles geben sollte, was Asien exportierte. 

Beim Anblick der Hallen stürzten alle erdenklichen Eindrücke auf mich ein. Das fröhliche Gedränge, die warme Luft in den Hallen, das Schwätzen der Händler mit den Kunden und, nicht zu vergessen, die verschiedensten Aromen, die ich nicht richtig einordnen konnte.

 Schweigend schlenderten wir durch die Markthallen. Nur schwer fand ich mich zurecht, lose Bilder zogen an mir vorbei, so bekam ich nichts davon mit, welche asiatischen Lebensmittel es gab, und was noch angeboten wurde, von Textilien, Lederwaren, Kurzwaren, Technik über Uhren und Schmuck bis hin zu verschiedenen Dienstleistungen.

Ich war da und bekam doch wenig mit – mir fehlten Beschreibungen. Doch das wusste ich in dem Moment noch gar nicht – erst später merkte ich bei anderen Reisen mit erfahrenderen Assistenten, wie viel sie mir mit ihren Beschreibungen vermitteln können.

In Berlin haben wir außerdem einen richtigen Thai-Streetfood-Markt und Berlins beste Open Air Küche im Preußenpark besucht. Das Herz von Thailand sprach zu mir und führte mich an einen exotischen Ort voller neuer Gerüche. Es herrschte eine geräuschvolle Kulisse im Hintergrund. Dietrich sprach mit einer Freundin, die wir dort getroffen haben, bereits darüber, wie auf traditionelle Art thailändisches Essen vor Ort zubereitet wird.

In solchen Augenblicken komme ich mir manchmal echt fehl am Platz vor. Man selbst bekommt nicht mit, was es alles zu essen gibt, was für Menschen einen umgeben, ich bekomme manchmal in solchen Situationen gar nicht mit, ob mich jemand anspricht, ein Begleiter auf einmal woanders steht oder eventuell bereits gegangen ist. Und wenn ich es endlich gemerkt habe, ist der Moment schon vorbei.
Was ich seit meiner Seheinschränkung wahrnehme: Dass die Normalos Dinge selten gut, oft auch gar nicht beschreiben können. Mit Aussagen wie „rechts von dir auf dem Tisch steht die Flasche“, „links von dir steht der Jan“ oder „auf der anderen Straßenseite ist die Ampel rot“ kann ich was anfangen. Aber stattdessen höre ich Sachen wie „da hinten“, „guck mal, da lang“.

Mein Fazit:

Nur weil wir alle reden können, heißt das noch lange nicht, dass wir miteinander kommunizieren können. Jetzt aber zurück zum thailändischen Streetfood-Markt. Denn es ist doch noch Licht geworden, siehe da: Dietrich beschreibt, was es auf dem Markt für Leckereien gibt und als ich näher herantrat, erkannte ich sogar, wie die Verkäufer das Essen zubereitet haben. Noch schöner wäre es gewesen, wenn Dietrich es mir beschrieben hätte.

Die Treppen von Berlin

Den Treppen von Berlin war ich eher feindselig gesinnt. Nicht gerade sauber, verschmiertes Treppengeländer, und es gab nur sehr selten auf beiden Seiten einen Handlauf. An sich nichts Gravierendes, wenn man allerdings ohne Handlauf keine Treppen steigen kann, so wie ich, ist das ein großes Hindernis und schränkt einen in seiner Mobilität ein. Für den Fall, dass kein Handlauf vorhanden oder mir das Ganze zu schmuddelig ist, unterstützt mich gegebenenfalls meine Begleitperson. 

Das sieht dann folgendermaßen aus: 

Entweder halte ich mich an der Schulter fest und wir steigen die Treppen Stufe für Stufe, oder die Person legt den Arm hinter meinen Rücken und gibt mir erstens sicheren Halt und zweitens kann sie so schneller nach mir greifen, sollte ich das Gleichgewicht verlieren.

 Dies nimmt selbstverständlich mehr Zeit in Anspruch und so verpasst man die ein oder andere Bahn. 

Nichtsdestotrotz gelangt man wunderbar von A nach B.


Shoppen bei Räucherstäbchen-Duft

Wir trafen uns in Berlin mit Rina (Name geändert), die dort ein Praxissemester absolviert. 

Da Dietrich zum Shoppen nicht besonders hilfreich ist, schickten wir Mäddels den Mann zum Frisör und anschließend zum Kaffeetrinken.

 Im Guru Shop am Prenzlauer Berg ließen wir uns inspirieren von einer Riesenauswahl an schönen Dingen aus aller Welt. Wenn ihr mal dort seid: Taucht ein in schimmernde Farben aus Indien, Thailand und Indonesien. Möbel, Leuchten, Heimtextilien, Bekleidung, Dekoration, Schmuck und mehr. 

Klingt das gut in euren Ohren? Dann lasst uns shoppen!
 Ich sah allerdings nur leuchtende, zusammenhanglose Farben, nur vage Schattenrisse aus der Ferne, war ohne Orientierung und hatte den Geruch von Räucherstäbchen in der Nase.

 Näher ins Licht getreten, verschaffte ich mir bis zu einem gewissen Grad einen Überblick. Alles, was in geringer Entfernung lag, war für mich gut sichtbar. Doch alles, was auf großer Distanz lag, war für mich schwer ersichtlich.

Rina zeigte mir ein lilafarbenes Bandeau-Top, ein Neckholder im Lagenlook. Sie stöberte noch nach einer oder zwei blauen Leggings und hängte mir alles in die Umkleide.

 Wenn ich Klamotten anprobiere, läuft das so ab: Mit den linken Arm wird das Oberteil festgehalten und der linke Arm hilft beim Aus- und Anziehen. Der Aufwand hat sich gelohnt, ich verließ den Laden mit einer vollen Einkaufstasche.

Chillen in der Natur mitten in der Großstadt

Wir nutzten das wunderschöne Wetter aus und trafen uns mit Josie etwas außerhalb von Berlin an einem Badesee. Josie war die erste Studentin, die im Wohnheim als Ehrenamtliche kennengelernt habe.
Die Sonne strahlte durch die Bäume, und dennoch spendete uns die Natur ausreichend Schatten. Mit Picknickdecke und Essenskorb im Gepäck spazierten wir an einer schmalen Lichtung entlang. Der weiche Boden unter mir besaß ganz kleine Wurzeln, wodurch ich ab und an verstärkt Druck beim Abstützen auf Dietrichs Schulter ausübte. Am Ufer des Sees angekommen, konnte ich es kaum erwarten die Schuhe loszuwerden, um den warmen Sand unter meinen Füßen zu spüren. 
Der Boden unter mir ließ nach, und Dietrich führte mich zur Stelle, wo Josie bereits die Picknickdecke aufgeschlagen hat und sich im Badeanzug von der Sonne brutzeln ließ.

Dietrich stand breitbeinig vor mir, hielt mich mit beiden Armen fest und half mir so, mich auf den Boden zu setzen. Ich entledigte mich meiner Kleider, stand mit Hilfe von Dietrich auf, der mir den Schwimmgurt um meinen Bauch befestigte. Schwimmbrille auf, und dann ab ins Wasser. Nachdem wir uns beim Schwimmen abgekühlt haben, chillten wir bis zum Spätnachmittag am Strand und aßen unsere Snacks.

Meine Tipps für Euch:

  • Vegane Donuts bei Brammibal’s: Diesen Laden gibt es mehrmals in Berlin und er bietet absoluten Hochgenuss für alle Süßigkeiten-Junkies.
    brammibalsdonuts.de
  • Der Thaipark: Hier könnt ihr bei der Zubereitung asiatischer Gerichte zusehen. Selbst wer seheingeschränkt ist, schwebt durch ein Meer von Gerüchen.
    thaipark.de
  • Farbig und bunt – wer sich neu einkleiden möchte und keine Angst vor einem leuchtenden Auftritt hat, kann hier herrlich shoppen. Es gibt nicht nur Klamotten, sondern auch Möbel und Deko. Schöne Einzelstücke können Eure Wohnung aufwerten. Im Laden wird man von der Menge besonderer Möbelstücke aber fast erschlagen. www.guru-shop.de

Mein Fazit:

Berlin war für mich eine Wahnsinns-Stadt. Ich hätte allerdings mehr an Erfahrung mitgenommen, wenn der Reiseleiter Dietrich vieles besser berichtet und beschrieben hätte. Ob Berlin eine Reise wert ist? Auf jeden Fall!

Vor Berlin hab ich mich sehr zurück gezogen und wollte kaum raus. Dies hat sich nach Berlin schlagartig geändert. Ich gehe viel beschwingter durchs Leben und bin mit Neugier erfüllt, mit einem Wissensdurst, den ich vorher noch nicht kannte.

Jeder Veganer, der sich nach Leckereien ohne langes Studieren von Speisekarten sehnt, sollte auf jeden Fall nach Berlin fahren.

Aus diesem Grund hat Berlin eine so große Bedeutung für mich! Am liebsten würde ich sofort dort hinziehen.

Das Messer ist mein Freund!

ACHTUNG: IN DIESEM TEXT GEHT ES UM SELBSTSCHÄDIGENDES VERHALTEN. Wenn Du von diesem Verhalten betroffen bist, hole Dir Hilfe. Zu jeder Zeit kannst Du bei der Telefonseelsorge unter diesem Link Gesprächspartner in Krisensituationen erreichen.

Von der Außenwelt isoliert und gefangen wie ein Vogel im Käfig. Heul-Attacken 24 Stunden und ein ewiger Kampf, um auf hoher See nicht unterzugehen.

Ein Küchenmesser in der Hand, es folgt ein tiefer Schnitt, Blut fliest, kein Schmerz, nur pure Erleichterung und für einen Moment sind alle Sorgen wie weggespült.

So muss sich Freiheit anfühlen.

Monotone Aufgaben in der Behindertenwerkstatt ließ ich über mich ergehen. Das Herumschubsen der Betreuer, das Gefühl von Unverständnis war kaum zu ertragen.

Die Papierschere war nur der Anfang. Dieser ständige Teufelskreis aus kräftezehrenden Arbeitsaufträgen in der Werkstatt, die jedoch kaum eine zweckhafte Rolle für mich spielten. Nach außen strahlte ich Zufriedenheit aus, innerlich war ich leer und suchte verzweifelt den Sinn hinter dem Ganzen. Missmutig ging es mit dem Bus wieder zurück ins Wohnheim. Gefrustet und ohne Perspektive wartete ich auf den nächsten Tag.

Das Gefühl, nicht gehört zu werden, ließen mich zur Schere greifen. Oberflächliches Aufritzen der Haut lösten in mir das Gefühl von Unbeschwertheit aus, als ob mir eine große Last von den Schultern genommen worden sei. Ich dachte mir nicht viel dabei, wenn ich mich im Wohnheim oder in der Behindertenwerkstatt ins Badezimmer oder die Toilette schlich und mich mit der Schere ritzte. Eines war klar, es führte dazu, dass ich mich besser fühlte.

Es lief eine gewisse Zeit immer gleich ab, bis mir die Papierschere nicht mehr ausreichte. Still und heimlich holte ich mir ein kleines Küchenmesser und übte mehr Druck auf das Messer aus. Blutstropfen traten wie kleine Perlen hervor, ganz automatisch machte ich den nächsten Schnitt, diesmal nicht so zaghaft wie davor. Blut lief rechts und links am Unterarm entlang. Ich ritzte mich fast bis zum Ellenbogen hoch und nach einer Weile war es wie Zähneputzen, mich jeden Abend in die Küche zu schleichen und in leisen Schritten ins Badezimmer zu gehen, die Türe hinter mir zu verriegeln. Wenn alle schliefen, ging ich wieder auf mein Zimmer zurück. Die Ärmel vom Pullover wurden lang gezogen, übers Handgelenk bis zu den Fingerspitzen.

Allmählich suchte ich das Gespräch mit einem Azubi im Haus, der mir zuvor angeboten hatte, mit ihm zu reden, wenn mir danach ist. Wir gingen öfters spazieren od trafen uns in meinem Zimmer, um uns zu unterhalten. Oft bat er mich darum, das Ritzen zu unterlassen. Doch das bewirkte viel mehr das Gegenteil davon. Selbst das Schreiben half nur bedingt. Am späten Abend als ich mich wie gewohnt in die Küche schlich, glänzte mir ein größeres Küchenmesser entgegen. Ich dachte mir: „Wieso nicht!“. Ich zog es aus der Schublade, huschte ins Bad und zückte die Klinge.

Viel tiefer als sonst schnitt ich mir ins Fleisch. Blut floss über den Arm ins Waschbecken. Einige Tage darauf kam es zu einem Gespräch zu dritt. Ich, der Azubi und eine Betreuerin im Haus. Aufgewühlt und verwirrt hockte ich auf meinen Bett, während die Stimmen von außen auf mich einredeten. Es fiel das Wort Psychatrie, wo mir geholfen werden könne und ich zum jetzigen Augenblick am besten aufgehoben wäre.

Die Betreuerin begleitete mich zu meinem Termin bei meiner Neurologin, wo dann die Karten auf den Tisch kamen. Die Neurologin quasselte von Depressionen und brachte mich komplett raus. „Was hat Ritzen mit Depressionen zu tun?“, dachte ich mir. Kopflos nickte ich und stimmte zu. Zwei Tage später landete ich in der Psychatrie, und nach 4 Wochen Aufenthalt wurde ich endlich entlassen.

In dem Augenblick, als ich draußen war, Anfang 2017, wusste ich, dass eine Veränderung dringend notwendig war.

Auf die Betreuer im Wohnheim wollte ich nicht mehr angewiesen sein. Ich begab mich mit einer Ehrenamtlichen auf die Suche nach weiteren freiwilligen Helfern, um die Unterstützung im Alltag zu erhalten, die ich benötige. Das erste Mal wurde ich als Person ernst genommen und konnte über meine Bedürfnisse reden.